Versorgungslage der Heilbronner Bevölkerung im Ersten Weltkrieg

Kindheitserinnerungen aus dem Ersten Weltkrieg

Aus: Alfred Birkel, Kinderjahre in Heilbronn, Serie der Heilbronner Stimme (Stadtarchiv Heilbronn ZS-7949)

Heilbronner Stimme, 28.8.1980

"[…] Je länger der Krieg dauerte, desto kleiner wurden die Zuteilungen. Die zugestandenen Rationen und Positionen lagen letztlich an der unteren Grenze des Existenzminimums. Für ein Gasthausessen, dem es an Nährwert und Schmackhaftigkeit zweifellos mangelte, musste außer Geld jeweils eine Fleisch-, Teigwaren und Fettkarte mit den geforderten Grammbezeichnungen abgegeben werden. [..]

Und von jenen, die einst aus Abneigung oder Aberglauben es entschieden abgelehnt hätten, auch nur das kleinste Stückchen Pferdefleisch oder -würste zu versuchen, stellten sich hin und wieder welche in die lange Reihe der Wartenden, die hofften, ein Pfund dieses besonderen Fleisches erhalten zu können."

Heilbronner Stimme, 29.8.1980

"In einem der Kriegsjahresherbste, der den Buchen eine erhebliche Tracht an Früchten bescherte, zogen auch wir jüngeren Geschwister mit unserer Mutter in die Wälder der Umgebung, um die laufend verfügbare Ölmenge, die nicht einmal ausgereicht hätte, wenn sie dreimal größer gewesen wäre, für die kommenden Wintermonate zu vergrößern. […]

Die Kälte der Vormittagsstunden, das Dauerrutschen auf den Knien, das fortgesetzte Abstützen auf einem Arm, die schmerzende Rückenkrümmung und das unaufhörliche Klauben mit unterkühlten Fingern, hat uns allen so zugesetzt, dass man nach zwei Stunden am liebsten aufgegeben hätte, zumal wir zunächst nicht den richtigen Blick für die trächtigen Bäume hatten und auch nicht für jenes Verfahren, das uns so rasch und gründlich als möglich in den Besitz der unterm dürren Laub versteckten Buchele gebracht hätte. […]

Im ganzen werden wir nicht viel weniger als einen halben Zentner aufgebracht haben, denn der Ölmüller händigte unserer Mutter nach der Ablieferung und Begleichung der Ölschlaggebühren sieben Flaschen Öl aus. Die war in diesen Zeiten ein Vorrat von großer Wichtigkeit."

Aus: Alfred Birkel, Kinderjahre in Heilbronn, Serie der Heilbronner Stimme (Stadtarchiv Heilbronn ZS-7949)

 

Arbeitsanregung

  • Überlegt, wie sich die Markenbewirtschaftung auf die Haushaltsführung einer Familie auswirkt.
  • Ein Mitglied einer Heilbronner Familie schreibt während des Krieges an Verwandte in den USA einen Brief und schildert die Versorgungslage. Verfasse diesen Brief.