Eberhard Gmelin und Friederike Hauffe
Eberhard Gmelin gehört zu den Wegbereitern des Thierischen Magnetismus, einer Heilmethode, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelt worden ist.
Franz Anton Mesmer hatte um 1770 das umfassende Heilkonzept begründet. "Thierisch" bedeutete damals "lebendig, lebend"; der Thierische Magnetismus bezeichnet zum einen das "universale Fluidum", das man hinter allen Lebensvorgängen und physikalischen Erscheinungen vermutete, zum anderen steht der Begriff für die Methode, mit der diese "Lebensenergie" vom Arzt auf den Patienten übertragen werden konnte.
Eberhard Gmelin befasste sich seit 1787 mit dem Thierischen Magnetismus. Mittlerweile war das Konzept Mesmers entscheidend weiterentwickelt worden. Denn die Magnetiseure hatten festgestellt, dass die Patienten während der Behandlung in einen somnambulen, hypnoseähnlichen Zustand versetzt werden konnten. Es war vor allem Eberhard Gmelin, der als einer der Ersten anhand zahlreicher Fallbeispiele empirisch nachwies, dass man in diesem Zustand über eine erhöhte Sensibilität und ein gesteigertes Erkenntnisvermögen verfügt und es möglich ist, Zugang zum – wie wir es heute nennen – Unbewussten zu erhalten. Neben Gmelins Krankengeschichten, die er in den Jahren 1787 bis 1793 veröffentlicht hat, ist in der Ausstellung auch ein Exemplar des "Archivs für Magnetismus und Somnambulismus" zu sehen, das als erstes Fachblatt dieser neuen Heilmethode gilt.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde der Thierische Magnetismus neu entdeckt und die Anhänger der später so genannten "romantischen" Medizin und die Naturphilosophen befassten sich auch wieder mit Eberhard Gmelins Werk. In unserer kleinen Ausstellung zeigen wir die entsprechenden Veröffentlichungen von Johann Christian Reil, Gotthilf Heinrich Schubert, Jean Paul, Karl Eberhard Schelling und Friedrich Hufeland.
Friedrich Schiller war wohl der berühmteste Patient Gmelins und es waren vielleicht die Krankengeschichten des Heilbronner Arztes, die Heinrich von Kleist veranlasst haben, sein "Käthchen" aus unserer Stadt kommen zu lassen – den nachhaltigsten Einfluss hatte Eberhard Gmelin jedoch auf Justinus Kerner. Wenngleich es nicht im Sinn der Begründer des Thierischen Magnetismus gewesen sein dürfte – sie fühlten sich dem Geist der Aufklärung und strenger Wissenschaftlichkeit verpflichtet –, wenn ihr Konzept nun dazu dienen sollte, die Wahrhaftigkeit von "Visionen" und die Existenz eines von Geistern bevölkerten "Zwischenreiches" zu belegen. Nichtsdestotrotz zählt Justinus Kerners Bericht über Friederike Hauffe, der "Seherin von Prevorst", zu den bedeutendsten Krankengeschichten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Die mystisch-spirituelle Ausprägung des Thierischen Magnetismus geht vor allem auf Johann Heinrich Jung-Stilling zurück. Nicht nur Justinus Kerner war von ihm beeindruckt, auch Barbara Juliane von Krüdener folgte seinen weltanschaulichen Idealen. Dass sie damit hier in Heilbronn am 4. Juni 1815 den Anstoß zur Gründung der Heiligen Allianz gegeben hat, gehört zu den "Fernwirkungen" des Thierischen Magnetismus.