Mittwoch, 28. November 1945

"In der heutigen Gemeindebeiratssitzung wird der neu von der Militärregierung bestellte Gemeindebeirat, Oberpostinspektor Ernst Riegraf (bis 1933 Gemeinderat der SPD), eingeführt.

Auf Einwände der Gemeindebeiräte Robert Schaal und Ernst Riegraf gegen die von der amerikanischen Kontrollregierung in Berlin angeordnete Stromsperre (u.a. sind dadurch Industrie und Handwerk zwei Tage in der Woche lahmgelegt) erwidert OB Emil Beutinger, der Stadt stehe nur die Stromerzeugung des Horkheimer Werkes zur Verfügung; der eingesparte Strom müsse in andere Versorgungsgebiete abgeleitet werden; trotzdem wolle er versuchen, eine günstigere Regelung zu erreichen.

Die amerikanische Militärregierung hat das frühere Israelitische Altersheim in Sontheim der Stadt zur Einrichtung eines Krankenhauses überlassen; die Vorbereitungen zur Eröffnung einer Frauenklinik sind dort im Gang; das bisher als Abteilung des städtischen Krankenhauses benutzte Ackermannstift in der Lauffener Straße in Sontheim wird geräumt und seinem ursprünglichen Zweck wieder zugeführt. Es war 1908 von Friedrich Ackermann der evangelischen Kirchengemeinde Sontheim als Kindergarten und -krippe gestiftet worden.

Ausführungen des Gemeindebeiratsmitgliedes Hermann Schneider zur Lage des Heilbronner Weinbaues und über die jetzt günstige Gelegenheit zur Zusammenlegung der Weinberge.

Debatte der Beiratsmitglieder über die von der Militärregierung angeordnete Kleider-, Wäsche- und Schuhsammlung, die als Pflichtabgabe durchgeführt werden soll.

OB Beutinger berichtet von seiner Anordnung, daß von jetzt an alle Gemeinde-Arbeiten der Stadtteile unter der örtlichen Bauleitung der städtischen Ämter durchzuführen sind.

Die Rohrleitungen des Wasserwerks, beginnend im Böllinger Tal, wo auch ein Pumpenhaus zerstört worden ist, haben über 400 Einschläge erlitten; diese Schäden sind nun alle beseitigt. Die beiden Wasserhochbehälter sind durch Tiefflieger stark beschädigt worden: Bei dem oberen Hochbehälter muß die Wand einer Kammer ganz neu aufgebaut werden, im unteren ist eine Kammer eingedrückt.

Die Straßenbahnlinie nach Böckingen ist nunmehr von der Wilhelmskanalbrücke beim zerstörten ehemaligen Hauptzollamt durch die Frankfurter und Großgartacher Straße mit Umsteigen am Sonnenbrunnen bis zur Endstation in der Klingenberger Straße (bei der Kappelstraße) wieder in Betrieb. Auch die Linie zum Trappensee ist von der Oststraße stadtauswärts wiederhergestellt; die Strecke von der Allee bis zur Oststraße kann befahren werden, wenn dieser Teil der Karlstraße von Schutt und Sprengtrichtern befreit worden ist. Es fehlt an Installationsmaterial und an Masten, die in größerer Zahl gebraucht werden, weil vielfach die Hauswände zum Festmachen der Leitungen fehlen.

Die Freiwillige Feuerwehr besteht inzwischen aus 85 Mann, die auf die folgenden Reviere aufgeteilt wurden: Revier I Heilbronn – ein Führer, 26 Mann; Revier II Böckingen – ein Führer, 23 Mann; Revier III Neckargartach – ein Führer, 24 Mann; Revier IV Sontheim – ein Führer, 12 Mann. Leiter der Feuerwehr ist der schon lange Zeit im Feuerwehrdienst tätige Ernst Haag. Neben der Gerätehalle im Hofe des Anwesens Seelig & Diller (Wilhelmstraße, Einfahrt zur Feuerwehr von der Südstraße aus) befinden sich auch in den Stadtteilen Feuerlöschgeräte; Schlauchmaterial ist reichlich vorhanden. Die Alarmierung im Brandfall erfolgt durch dreimaliges Ertönen der Luftschutzsirenen. Die ehemalige Feuerwehr hatte bei ihrer Flucht aus der Stadt vor deren Besetzung durch die Amerikaner sämtliche Löschgeräte mitgenommen; ein Teil davon ist im Oberland wieder aufgefunden worden und wird im Laufe der Zeit nach Heilbronn zurückgebracht.

Auf die Fundamente der zerstörten Stadtkelter ist ein vorläufiger Behelfsbau aus Holz, das aus Oberndorf a. N. erworben werden konnte, gesetzt worden."

 

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