Freitag, 31. August 1945
"Dr. Rudolf Brauch wird wegen Mitgliedschaft in der NSDAP aus dem Dienst als stellvertretender Landrat entlassen.
Die Amtlichen Bekanntmachungen veröffentlichen heute die Bestimmungen der allgemeinen, von dem Alliierten Kontrollrat eingeführten Meldepflicht, die bis zum 10. September durchgeführt sein muß. Wer nicht im Besitz der vom Arbeitsamt ausgestellten Meldekarte ist, auf der jeweils vor Ablauf einer Zuteilungsperiode das laufende Arbeitsverhältnis bestätigt sein muß, kann keine Lebensmittelkarten erhalten. Die Regelung gilt bereits für die 80. Zuteilungsperiode (17. September – 14. Oktober).
Auf Anordnung der Militärregierung sind u.a. folgende Zahlungen aus öffentlichen Mitteln verboten: Gehälter und Pensionen an alle aus ihrem Amt im Rahmen der Säuberungsaktionen entfernten Personen, an Militärpersonen, deren Hinterbliebene sowie an Personen in militärischen Diensten (Reichsarbeitsdienst usw.), außerdem Vergütungen, die aufgrund der Mitgliedschaft in der NSDAP gezahlt wurden; Ausgaben an die NSDAP und ihre Organisationen, an alle Beamten, führenden Mitglieder oder Sympathisierenden der NSDAP, an alle Organisationen, Klubs und die anderen von der Militärregierung verbotenen oder aufgelösten Vereinigungen, an alle Körperschaften oder Personen, deren Namen durch Listen bekanntgegeben wurden und deren Vermögen blockiert ist, sowie Ehestandsdarlehen.
Eine Bekanntmachung von OB Emil Beutinger spricht die Hoffnung aus, daß sich künftig an den Samstagen und Sonntagen die gesamte männliche Bevölkerung der Stadt im Alter von 15 – 60 Jahren an der Trümmerbeseitigung ihres Wohngebietes beteiligt. Der Einsatz erfolgt gebietsweise; für morgen und übermorgen sind als Treffpunkte fünf Sammelplätze genannt.
Alle im Stadt- und Landkreis evakuierten Angehörigen von Soldaten, die sich im Kriegsgefangenenlager in Böckingen befinden, werden aufgefordert, sich sofort beim Einwohnermeldeamt in Heilbronn schriftlich oder mündlich zu melden.
Beiderseits der Karl-Wüst-Straße befindet sich ein großer Pionierpark der Amerikaner. Wegen der Diebstähle wird die Straße ab sofort vollständig gesperrt. Jede Annäherung wird durch die amerikanischen Militärposten mit der Waffe verhindert.
Außer Postkarten können jetzt innerhalb des Landkreises Heilbronn auch verschlossene Briefe von wichtigen Industriezweigen, Geschäften und Betrieben bei den Postämtern aufgegeben werden, jedoch nur aufgrund eines Erlaubnisscheins des örtlichen Kommandanten der Militärregierung. Die gesamte Post ist der Zensur unterworfen.
Die Reichsbank-Nebenstelle Heilbronn hat auf Anordnung der Militärregierung ihre Geschäfte nunmehr in vollem Umfang aufgenommen.
Die Handwerkskammer bittet die Firmen, bei denen durch Fabrikationsumstellung oder auf andere Weise Werkzeuge, Kleingeräte und Maschinen freiwerden, diese zur Weiterleitung an Handwerksbetriebe zur Verfügung zu stellen. Auch Hausfrauen werden aufgerufen, Nähmaschinen leihweise dem Schneiderhandwerk zu überlassen.
Alle Geschäftsbetriebe mit mehr als 25 Arbeitnehmern müssen laut Anordnung der Militärregierung schnellstens eine Liste ihrer Beschäftigten beim Kreisarbeitsamt einreichen.
Die Industrie- und Handelskammer weist daraufhin, daß die Preisvorschriften in unveränderter Form in Kraft bleiben und Fordern und Gewähren unangemessen hoher Preise strafbar sind. Trotzdem blüht der 'Schwarzhandel' infolge des Warenmangels und -hungers und einer noch vorhandenen Geldflüssigkeit, obwohl dort überhöhte Forderungen zu zahlen sind.
Auf die zu Beginn der 78. Zuteilungsperiode (23. Juli) ausgegebene Raucherkarte, die für drei Zuteilungsperioden (78. – 80.) Gültigkeit hat (23. Juli – 13. Oktober), werden jetzt für die laufende 79. Periode insgesamt acht Zigarren zugeteilt. Daneben läuft der Schwarzhandel mit 'Ami-Zigaretten' zu horrenden Preisen oder im Tausch um so lebhafter.
Bekanntmachung der Erzeugerhöchstpreise für einheimische Äpfel und Birnen der Ernte 1945. Sie sind je in vier Güteklassen und fünf Preisgruppen eingeteilt. Die Höchstpreise für die einzelnen Güteklassen bewegen sich zwischen 9 und 84 RM je 100 kg.
Die Bewerber zu den Sonderlehrgängen für Schulhelfer in der Grundschule haben sich bis zum 8. September beim Bezirksschulamt I (Im Stahlbühl 19, Privathaus) zu melden. Aufgerufen sind von der Landesverwaltung für Kultus, Erziehung und Kunst auch sämtliche noch dienstfähigen Ruhestandslehrer und -lehrerinnen.
Die Elternschaft wird zur Meldung der 1939 geborenen Kinder zum Schulbesuch aufgefordert und gebeten, alle in ihrem Besitz befindlichen Lese-, Sing- und Rechenbücher aus der Zeit vor 1933 für den Unterricht zur Verfügung zu stellen.
Sämtliche Uniformen und Ausrüstungsgegenstände der NSDAP, ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände sind bis zum 12. September bei den Bürgermeisterämtern des Stadt- und Landkreises abzuliefern. Wer danach noch im Besitz solcher Sachen ist, soll streng bestraft werden.
Im August wurde das Entbindungsheim in der ehemaligen Eisenlohrschen Villa in Weinsberg von der Stadt Heilbronn gemietet."