Mittwoch, 19. September 1945

"Erste Sitzung mit den von der Militärregierung bisher genehmigten Gemeindebeiräten, die OB Emil Beutinger in ihr Amt einführt: Schreinermeister Gottlieb Baumgärtner, Obersekretär a.D. Karl Britsch (früherer Stadtrat und Stellvertreter des OB), Schriftleiter Willy Dürr (früherer Stadtrat), Prokurist Karl Knauß, Studiendirektor Theodor Marstaller, Dekan D. Dr. Julius Rauscher, Fabrikant Franz Reichle, Schreinermeister Robert Schaal (Böckingen) und Fabrikant Karl Wahl. Von der Verwaltung sind neben dem OB anwesend: BM Paul Meyle, Rechtsanwalt Hermann Sihler, dem das Personalamt untersteht, Walter Vielhauer (Assistent des OB) und der Ratschreiber, Stadtamtmann Georg Kielwein.

Nach der Bekanntgabe der Richtlinien der Militärregierung für die Berufung von Gemeindebeiräten gibt der OB einen Rückblick auf seine bisherige Tätigkeit und eine Übersicht über den Stand der gegenwärtigen Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung, des Straßenverkehrs und der Ernährungslage und allgemeinen Versorgung, sowie einen Ausblick auf die demnächst anstehenden Aufgaben der Stadtverwaltung. Der Wiederaufbau der Stadt ist durch den Materialmangel schwer behindert; alle seit 1933 festgesetzten Baulinien sind vorsorglich aufgehoben worden und werden neu festgestellt. Schulgebäude sind in Heilbronn keine mehr vorhanden; auf die zerstörten Schulhäuser hat man bisher keine Notdächer aufsetzen können, weil das erforderliche Holz fehlt.

Außerdem weist Beutinger auf die sehr kritische Ernährungslage hin: Die Vieherzeugung ist zurückgegangen. Der Landkreis Heilbronn muß sehr viel Getreide ausführen. Die Fettversorgung ist ungenügend, die Krauternte sehr schlecht ausgefallen. Heilbronn und Weinsberg müssen 15.000 Polen mitversorgen.

Um die Stadt hochwasserfrei zu machen, ist von beiden Militärregierungen und von der Landesregierung ein ca. 30 m breiter Durchstich bei Böckingen genehmigt worden.

Nach Mitteilung des OB wird die Freiwillige Feuerwehr neu organisiert; die große Halle im Areal der Firma Seelig & Diller wird zum Feuerwehrmagazin umgebaut.

Die städtischen Verwaltungsakten sind großenteils am 4. Dezember 1944 und in den ersten Tagen der Besetzung vernichtet worden, auch die nach Schloß Waldenburg verlagerten, worunter sich ebenfalls die vom Archiv dorthin verbrachten Einwohnermeldelisten und Stammrollen befanden. Von Schwäbisch Gmünd sind jedoch 14 ausgelagerte Kisten mit Grundbuch-, Standesamts- und Vermögensakten zurückgebracht worden.

Im Köpfer arbeiten seit einigen Wochen 40 – 50 Mann (ehemalige NSDAP-Parteigenossen) in Dienstverpflichtung an der Schaffung eines Ehrenfriedhofs. Von den über 6.000 Toten des 4. Dezembers 1944 konnten bisher nur 5.885 Personen namentlich registriert werden; die anderen sind in 'Hausgemeinschaften' beigesetzt.

Anstelle der amerikanischen Stuttgarter Stimme erscheint im Straßenverkauf erstmals auch in Heilbronn die Stuttgarter Zeitung (Nr. 1 vom 18. September), die mit Zustimmung des Gebietskommandanten der amerikanischen Militärregierung für Württemberg und Baden, William W. Dawson, und der Lizenz Nr. 12 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung herausgegebene erste deutsche Tageszeitung im amerikanischen besetzten Bereich von Württemberg und Baden, sechsseitig, Preis 20 Rpf je Exemplar."