Licht
Heilbronn kann sich bei Nacht durchaus sehen lassen – eine Ausstellung mit Fotos, die Barbara Kimmerle im Laufe des Winters 2007 aufgenommen hat, bewies es. Die eher ungewohnte nächtliche Perspektive zeigte Heilbronn mit großstädtischem Flair. Das Spiel von Licht und Schatten, das die Fotografin des Stadtarchivs eingefangen hat, lässt architektonische Besonderheiten deutlicher hervortreten und manches Gebäude, mancher Straßenzug gewinnt dank künstlicher Beleuchtung an Charme bzw. Charakter.
Dem Thema Straßenbeleuchtung war der historische Teil der kleinen Ausstellung gewidmet. Was die Übernahme technischer Neuerungen im öffentlichen Beleuchtungswesen anging, gehörte Heilbronn innerhalb Württembergs zu den Pionieren. Und einmal hatte Heilbronn vor allen anderen Städten der Welt die Nase vorn, als am 16. Januar 1892 in der Bahnhofstraße die ersten von außerhalb mit Drehstrom versorgten Bogenlichtlampen erstrahlten.
Testlauf dafür war einige Monate zuvor die erste Strom-Fernübertragung anlässlich der Internationalen Elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main gewesen: Am 24. August 1891 war es gelungen, elektrische Energie als hochgespannten Drehstrom von Lauffen am Neckar nach Frankfurt zu übertragen. Zwei Medaillen – deren Material sinnigerweise aus Aluminium besteht, zu dessen Herstellung elektrischer Strom benötigt wird – erinnern an das Hauptereignis der damaligen Leistungsschau. Diese und drei weitere Medaillen zur Elektrotechnischen Ausstellung 1894 in Stuttgart wurden uns freundlicherweise von privater Seite zur Verfügung gestellt.
Gas-Vertrag und Dienst-Instruction
Zu den Besonderheiten der aktuellen Ausstellung gehört ein Vertrag von 1852, den die Stadt mit Papierfabrikant und Gasproduzent Gustav Schaeuffelen schloss und der in Heilbronn eine neue Epoche der Straßenbeleuchtung mit „laufendem Gas“ einleitete. Die Vereinbarung regelt detailliert die Einrichtung des Rohrleitungsnetzes, die Zahl der Straßen-Gaslaternen (150 Stück, mit gutem Ölanstrich versehen und nummeriert), die Brennzeiten und viele weitere Pflichten des Gaslieferanten. Schaeuffelen lieferte auch Gas für die Innenbeleuchtung von Privathäusern sowie einigen öffentlichen Gebäuden. Dazu gehörten das Rathaus und seine Nebengebäude, das Bürgerhospital (Katharinenspital) und die Stadtkirchen.
Im August 1853 wurde die „Dienst-Instruction für den Städtischen Beleuchtungs-Inspector“ den neuen Gegebenheiten angepasst. Bisher, d.h. seit Oktober 1826, hatte der Inspektor die Aufsicht über die Lampenanzünder und Lampenputzer. Er musste insbesondere darauf achten, „daß die Laternen in Ordnung gehalten, zu gehöriger Zeit angezündet, und vorschriftsmäßig mit Oel versehen werden, damit der Zweck, eine vollständige Stadtbeleuchtung zu haben, erreicht werde“. Es durfte nur „hell abgezapftes Rüböl, welches weder mit Hanf-, Lein- noch anderem Oel vermischt ist“, verwendet werden und die Laternengläser und Dochte sollten stets geputzt sein.
Bis 1845 wurden die Straßen und Gassen nur im Winterhalbjahr (von 15. September bis 15. April) beleuchtet; ab 1845 brannte ungefähr die Hälfte der Laternen auch im Sommerhalbjahr. Bei Vollmond mit klarem Himmel gab es gar keine „künstliche“ Beleuchtung. Nur „am Thurm und an einigen anderen Orten“ wurden bereits seit 1826 das ganze Jahr hindurch abends für einige Stunden die Laternen angezündet.
Sie hatten jeweils eine durchschnittliche Jahres-Brennzeit von 1400 Stunden. In der Statistik der Straßenbeleuchtung württembergischer Städte von 1861 (Württ. Gewerbeblatt) nimmt Heilbronn den dritten Rang ein: Es gibt nun 186 Straßenlaternen, die allesamt mit Gas betrieben werden.
Nun, nachdem die Straßenbeleuchtung nicht mehr durch Rüböl, sondern durch Steinkohlegas (bis 1856 war es Holzgas) erfolgte, hatte der Beleuchtungs-Inspektor die Aufsicht über den Gaslieferanten. Er musste darauf achten, dass die Beleuchtung der Stadt mit „courantem“ Gas reibungslos funktionierte, der Gasunternehmer den Beleuchtungsplan einhielt, alle Lampen in ausreichender Helligkeit brannten und nirgendwo Gas austrat. Bis 1868 spielte nicht nur die Jahreszeit, sondern immer auch noch der Stand des Mondes eine Rolle, wann welche Gas-Laternen anzuzünden waren. Einige Lampen brannten sogar die ganze Nacht über, z.B. jene an der Straße zum Bahnhof. 1856 gab es in Heilbronn 164 mit Gas beleuchtete Straßenlaternen.
Im Wettbewerb: Petroleum
Seit 1852/1855 gab es für Öllampen einen neuen Brennstoff: Petroleum. Allerdings waren die Erfahrungen anfangs eher schlecht, da man zunächst das explosive Roh-Petroleum verwendete. Heilbronn war durch das Gaswerk gut versorgt – 1883 wurde die private Gasanstalt vertragsgemäß von der Stadt übernommen –, deshalb kamen im öffentlichen Raum keine Petroleumlampen zum Einsatz. Immerhin gab es hier mit Johann Georg Bernhardt einen Petroleumlampen-Fabrikanten. Bei der 1869 vom Kgl. Württ. Gewerbeamt veranstalteten „Erdöllampen-Konkurenz“ kam er unter jene sechs, die eine Auszeichnung für ihre Verbesserungsvorschläge erhielten. Bernhardt stammte aus Bonfeld (geb. 1825), war gelernter Flaschner und lebte seit ca. 1855 in Heilbronn.
Bogenlicht
Um 1883 zeigten sich auch in Heilbronn die Vorboten einer neuen Epoche: „Die Zahl der industriellen Etablissements des Landes, welche elektrische Beleuchtung eingeführt haben, hat das erste Dutzend überschritten.“ So beginnt die Übersicht des Württ. Gewerbeblattes vom 27. Mai 1883 – und Heilbronn war selbstverständlich mit dabei. Die Zuckerfabrik und das Gaswerk gehörten zu den Pionieren, die elektrisches Bogen- und Glühlicht einsetzten. Die Anschaffungskosten für eine Bogenlichtlampe samt Dynamomaschine betrugen damals laut Gewerbeblatt immerhin 2000 Mark. 1884 legte sich die Papierfabrik Schaeuffelen eine Beleuchtungsanlage mit 150 Glühlampen (mit einer Leuchtkraft von jeweils 16 „Normalkerzen“) zu.
Bogenlicht war so hell, dass es sich nur zur Beleuchtung von Straßen, Plätzen, Baustellen und großen Fabrikhallen eignete. Alte Postkarten und Fotos zeigen Bogenlichtlampen in der Bahnhofstraße um 1913, auf der großen Heilbronner Kunst-, Industrie- und Gewerbeausstellung von 1897 (die Heilbronner Firma Albert Neumann hatte 14 Bogenlampen und 250 Glühlampen installiert; für den Strom sorgten das Württ. Portland-Cementwerk Lauffen/Electricitätswerk Heilbronn und drei mit Gas betriebene Dynamomaschinen) sowie auf dem Marktplatz und in der Lohtorstraße (jeweils um 1930).
Azetylengas fürs Land
Für die Energieversorgung kleinerer Ortschaften bot sich seit 1891 die Einrichtung eines Azetylenwerkes an, das „von dem Gemeindebeamten auch nebenbei bedient werden“ konnte. Die Heilbronner Gesellschaft für Heiz- und Beleuchtungswesen baute in Süddeutschland etliche dieser kleinen „Kraftwerke“, z. B. die Acetylen-Centralen in Löwenstein und Schwaigern.
Trotz seines „schönen ruhigen Lichtes“ setzte sich Azetylengas zur Straßenbeleuchtung nicht durch. Azetylen- bzw. Karbidlampen wurden jedoch bald unverzichtbar, z.B. im Straßenverkehr. In Württemberg war es ab Juni 1902 Vorschrift, dass Motorfahrzeuge mit „hellbrennenden Laternen“ ausgestattet waren; für Fahrräder galt dies ab Januar 1908.
Erfindergeist
Die Ausstellung erinnerte ferner an innovative Köpfe wie Münzing, Rödenberger und Frau Gruis. Friedrich Michael Münzing hatte als Erster in Württemberg und Dritter in Deutschland im Jahr 1840 mit der Herstellung von Stearinkerzen begonnen. Es wurde sein erfolgreichster Produktionszweig, denn bei der Innenraumbeleuchtung behaupteten Kerzen durchaus ihren Platz: Gegenüber Öl, Petroleum, Benzin und Gas waren sie konkurrenzlos billig, sie gaben kaum unangenehme Gerüche von sich und brannten relativ rußfrei, nachdem 1825 der geflochtene Docht erfunden worden war. Außerdem waren die Ansprüche, der „Lichthunger“, gewachsen und auch in den Wohnungen der Ärmeren war helleres Licht zum „unabweislichen Bedürfniß“ geworden.
Flaschnermeister Carl Rödenberger (1835 – 1890) hatte 1879 eine verbesserte Reflektor-Gaslampe entwickelt, für die er ein Reichs-Patent erhielt und die Eingang in die technische Fachliteratur fand.
Und Anna Gruis erhielt zweimal (1882 und 1884) ein deutsches Reichs-Patent für ihre Verbesserungen an Gasleuchten. Sie stammte aus Gotha (geb. 1843) und war seit 1866 mit dem Heilbronner Mechaniker Julius Robert Gruis verheiratet, der die Schlosserei seines Vaters zu einer „Fabrik für Gaseinrichtungen“ ausgebaut hatte.
Aus dem Fundus
Lampen aus den Sammlungen der Städtischen Museen und aus dem Besitz von Stadtarchiv-Mitarbeitern ergänzten die Ausstellung:
- eine Kerzen-Laterne mit Reflektor;
- eine frühe, batteriebetriebene Grubenlampe der Dominitwerke;
- eine „Feuerhand Superbaby“ (India Design 58162); Petroleumlampen dieses Typs wurden erstmals 1933 hergestellt und dienten als Stall- und Sturmlaternen;
- eine Blend- oder Signallaterne der Deutschen Reichsbahn mit der eingeprägten Jahrzahl 1934; sie wurde vermutlich ebenfalls mit Petroleum betrieben.