Firma Knorr - Werbung und Militärverpflegung
C. H. Knorr Nahrungsmittelfabriken Heilbronn – Werbung und Marketing | Heereslieferungen und Kriegseinwirkungen
Zwei Kapitel aus der Firmengeschichte – zwei Materialbündel für den Unterricht
Vorgestellt von Bernhard Müller
Einleitung
Im Supermarkt findet man noch zahlreiche Produkte mit dem Namen „Knorr“ – Suppen, Saucen, Fix Produkte – auf den Packungen aber wird als Hersteller „Unilever Deutschland“ und eine Postfachadresse in Hamburg angegeben. Am Eingang des Betriebsgeländes in der Heilbronner Knorrstraße 1 steht auch der Name „Unilever“, denn seit Herbst 2000 ist die Firma Knorr (nach den Zwischenstationen Maizena und CPC/Bestfoods) im britisch-niederländischen Unilever-Konzern „aufgehoben“ und lebt nur noch als Markenname weiter.
Im Jahr 1884 wurde mit dem Bau der „Fabrik am Sontheimer Weg“ begonnen – äußeres Zeichen für den Aufstieg des 1838 von C. H. Knorr in Heilbronn gegründeten Unternehmens. Dieses entwickelte sich seit Mitte der 1870er Jahre zu einem der führenden Nahrungsmittelhersteller in Deutschland. Seine „präparierten Suppen, Dörrgemüsen und Militärkonserven“ wurden europaweit nachgefragt. Die Knorr-Fertigsuppen wurden zunächst als Pulver in Tüten, später als Tafeln und ab 1889 in Wurstform (die berühmte „Erbswurst“) angeboten. 1899 wurde die Firma in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, blieb aber im Wesentlichen im Besitz der Söhne des Gründers, Carl und Alfred Knorr, und ihrer Familien.
Vor allem die Militärverpflegung im Ersten und Zweiten Weltkrieg führte zu einer enormen Ausweitung des Betriebs, zeitweise war die Firma Knorr mit rund 3000 Beschäftigten der größte Arbeitgeber von Heilbronn. Trotz der Zerstörung des Betriebsgeländes im Jahr 1944 setzte sich der Aufschwung der Firma in der Nachkriegszeit fort, 1969 wurde in Heilbronn die damals modernste vollautomatische Suppenfabrik Deutschlands errichtet.
So notwendig und reizvoll es ist, die aktuellen Verhältnisse auf dem internationalen Lebensmittelmarkt (der von fünf multinationalen Konzernen beherrscht wird) zu untersuchen und sich mit der Unternehmensstruktur und -philosophie von Unilever zu befassen – dies ist nicht Gegenstand des vorliegenden Materialangebots. Auch auf die aktuelle Diskussion um Fehlernährung und Gesundheitsrisiken durch Fertigprodukte (Stichworte: Gentechnik, Geschmacksverstärker und Aromastoffe) kann hier nicht eingegangen werden. Aus der langen und erfolgreichen Betriebsgeschichte der Firma Knorr werden zwei Unterrichtsvorschläge ausgewählt – im Folgenden als Bausteine A und B bezeichnet – nämlich
- eine medienkritisch und kulturgeschichtlich angelegte Unterrichtseinheit, die das reichlich vorhandene und leicht zugängliche Werbematerial der Firma Knorr seit ca. 1900 ausschöpft und die sich wandelnden Werbemittel und Werbestrategien untersucht, mit denen zum Kauf der Produkte mit dem Namen Knorr angeregt werden soll. Marketing ist ein zentraler Bestandteil aller Markenartikelhersteller, welche die Bedürfnisse der Verbraucher berücksichtigen und zugleich beeinflussen wollen. Es geht darum, den Zusammenhang von gesellschaftlichen Trends, betrieblichen Innovationen und Werbung zu erkennen.
- eine lokal- und industriegeschichtliche Unterrichtseinheit, welche die Heereslieferungen der Firma Knorr im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie die Einwirkungen des Nationalsozialismus auf die Firma thematisiert.
Die Industrialisierung der Nahrungsmittelherstellung im 19. Jahrhundert ist kein Nebenprodukt der allgemeinen Industrialisierung, sondern gehört zu ihren Voraussetzungen und Wegbereitern, weil sie die außerhäusliche Versorgung großer Bevölkerungsteile ermöglicht. Voraussetzung war die Erfindung von Verfahren, mit denen Lebensmittel haltbar gemacht werden können. Durch die rasch wachsende Industriearbeiterschaft, die sich mit der Erzeugung und Beschaffung von Lebensmitteln nur noch nebenher beschäftigen konnte, entstand ein wachsender Markt für industriell gefertigte Produkte. Außer den zunächst sehr teuren Konserven entstanden auch sog. Surrogate, die als minderwertiger Ersatz hochwertiger Lebensmittel für die ärmeren Bevölkerungsschichten bezahlbar waren. Dazu gehören z. B. der „Ersatzkaffee“, aber auch die Brühwürfel und Fertigsuppen. Mit der schon erwähnten Erbswurst gelang der Firma Knorr ein Erfolgsprodukt, das zuerst in der Armeeverpflegung eingesetzt wurde, bevor es sich im Alltags- und Freizeitbereich durchgesetzt hat.
Über den Firmengründer Carl Heinrich Knorr (1800 – 1875) und die Anfänge des Unternehmens Knorr informiert ein multimediales Modul in der stadtgeschichtlichen Ausstellung im Otto Rettenmaier Haus. Mit dem Großbetrieb der Nahrungsmittelindustrie, der „Fabrication in größerem Style“, hat er allerdings wenig zu tun. Diese begann erst nach seinem Tod 1875 mit der Verlegung des Fabrikbetriebs in die Sontheimer Straße (ab 1884) und ist im Wesentlichen das Werk seiner Söhne Karl und Alfred. Nach dem Tod seines Bruders (1894) war Karl Knorr der „alleinige Chef der Firma“, er ist der eigentliche „Baumeister“ des Unternehmens Knorr.
Erst im Kaiserreich ist die Umstellung der Landwirtschaft so weit fortgeschritten, dass sie für einen größeren Markt und damit auch für die beginnende Nahrungsmittelindustrie produzieren kann. Die Firma Knorr schließt mit vielen Landwirten Lieferverträge für die benötigten Rohstoffe ab, gleichzeitig errichtet sie in der Nähe ihres neuen Produktionsstandorts eigene Gärtnereibetriebe für die Saatzucht und den Gemüseanbau. Außerdem bezog die Firma bis 1914 viele Rohstoffe aus dem Ausland.
Im Stadtarchiv gibt es einen großformatigen Bildband über die Entwicklung der Firma C. H. Knorr AG Heilbronn 1838 – 1938, der wichtige Bilder und Dokumente enthält, aber vor dem damaligen Zeithintergrund gelesen werden muss. Schon 1898 wurde für die Geschäftsfreunde im Zusammenhang mit der Gewerbe- und Industrieausstellung 1897 eine ausführliche Beschreibung der Fabrikanlage und Produktionsstätten herausgegeben, die wertvolle Fotos enthält. Der langjährige Vorstand Alexander Knorr hat eine mehrbändige (maschinenschriftliche) Knorr-Chronik von 1838 – 1959 verfasst, die von den Deutschen Maizenawerken herausgegeben wurde und ebenfalls im Stadtarchiv liegt. Diese rein betriebswirtschaftliche Darstellung stützt sich im Wesentlichen auf die Jahres- und Geschäftsberichte der Knorr AG.
Auf methodische Vorschläge und Erschließungsfragen für die Auswertung der folgenden Materialien wird verzichtet. Allerdings werden einzelnen Dokumenten Erläuterungen beigefügt, die eine geschichtliche Einordnung und Bewertung erleichtern.
Ein Verweis auf die Bildungspläne der einzelnen Schularten ist nicht sinnvoll, weil die gegenwärtige Schullandschaft im Umbruch ist und weil sich die inhaltliche Anbindung des Themas an einzelne Klassenstufen laufend verändert. Ohnehin werden lokalgeschichtliche Themen eher im Projektunterricht oder als selbstständige Schülerleistungen aufgegriffen.