Arbeit mit 2 Urkunden zur Stadtgeschichte

Das älteste bekannte Stadtrecht, 1281

König Rudolf gibt den Bürgern von Heilbronn Gesetze und Rechte (1281)
(Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 51 U110; aus dem Lateinischen übersetzt)

Rudolf, von Gottes Gnaden König der Römer, Mehrer des Reiches. An alle in Ewigkeit. Es gehört sich, dass Städte oder ganze Reiche nicht so sehr durch Mauern und Wälle geschützt werden, als vielmehr durch die Beachtung der Gesetze und Rechte friedlich und ruhig in der Lieblichkeit des Friedens ruhen. […]

Als erstes, wer auch immer einen anderen in der vorgenannten Stadt Heilbronn tötet, der wird als Mörder über das Rad gelegt werden. […]

Wenn aber einer einen anderen ohne Lebensgefahr verwundet, so dass er von seiner Verwundung geheilt werden kann, wird der Angeklagte entweder seine Hand verlieren oder zehn Pfund Speyerer Pfennige zahlen. […]

Außerdem, wenn sich zwei mit schimpflichen Worten streiten oder sich gegenseitig beleidigen, so soll derjenige, der den anderen herausgefordert und den Grund für die Beschimpfung oder Beleidigung geliefert hat – wenn er durch den Schwur dreier rechtschaffener Männer überführt ist –, allein der oben genannten Strafe unterliegen.
Über Schulden aber und Verträge und Verabredungen, welcher Art auch immer, die in einer Stadt üblicherweise feierlich geschlossen werden, hat man dem Zeugnis des Schultheißen oder seines glaubwürdigen Boten oder zweier glaubwürdigen Personen zu glauben und muss zu ihnen stehen. […]

Wer außerdem von den Bäckern schlecht bäckt oder sich beim Brot an weniger als das Geschuldete hält – wenn er von zwei Bäckern, die hierfür in der Stadt selbst ausgewählt werden müssen, darin überführt worden ist –, dann müssen drei Brote für zwei verkauft werden und zudem wird der Bäcker zur Wiedergutmachung der Stadt einen Schilling Speyerer Pfennige geben. […]

Ebenso dürfen Fleischer und Metzger unreines Fleisch, stinkendes oder krankes Fleisch nicht in ihren Fleischgeschäften verkaufen. […]

Weiterhin, wer auch immer ein aus falscher Wolle gewobenes Tuch verkauft oder zum Verkauf auslegt, so muss dieses Tuch öffentlich im Feuer verbrannt werden und nichtsdestoweniger werden der Schultheiß und die Räte dafür eine Strafe verlangen und eintreiben, je nach dem, wie es ihnen nützlich scheinen wird. […]

Ebenso werden zwölf Räte, die aus den Besseren und Nützlicheren der Stadt gewählt werden müssen, in den einzelnen Monaten unter sich vier auswählen und aufnehmen, die während des Monats selbst zusammen mit dem Schultheiß alle und auch die einzelnen Geschäfte erledigen, die sich als erledigenswert ergeben. Bei allen und den einzelnen oben beschriebenen Punkten aber wollen wir, dass unserem Vogt und unserem Schultheiß ihre Rechte nicht gemindert, sondern über alles uneingeschränkt erhalten werden.

Keinem Menschen soll es daher gestattet sein, diese Seite unserer Neuerung und Bestätigung einzuschränken oder ihr in irgendeinem unüberlegten Wagnis entgegenzutreten. Wer dies aber tut, der soll wissen, dass er einen schweren Verstoß gegen die königliche Hoheit begeht. Zum Zeugnis in dieser Sache haben wir befohlen, dass das gegenwärtige Schriftstück mit dem Siegel unserer Majestät bestätigt wird. Gegeben in Gemunden an den 5.Iden des Septembers während der 9. Indikation im Jahre des Herrn 1281, dem achten Jahr unserer Herrschaft.


Anmerkungen:
Schultheiß: Königlicher Beamter
Vogt: Vertreter des Königs in der Stadt, leitet die Regierung und die Gerichtsbarkeit
Gemunden: Schwäbisch Gmünd
5. Iden des September: 9. September
Indikation: 15-jähriger Steuerzyklu

 

Arbeitsanregungen

  • Beschreibt, welche Mitwirkungsmöglichkeiten das erste Heilbronner Stadtrecht den Bürgern der Stadt gab.
  • Welchen Einfluss hat die königliche Macht im Stadtregiment?
  • Welches Bild vom städtischen Leben vermittelt die Urkunde?
  • Informiert euch – auch über das Internet – wie Rudolf von Habsburg versuchte, die Königsmacht im Reich zu stärken. In welchem Zusammenhang steht damit das Heilbronner Stadtrecht von 1281?

Kaiser Karl IV. verleiht Heilbronn eine neue Verfassung (1371)

Wir, Karl, von Gottes Gnaden römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reiches und König zu Böhmen, bekennen und verkünden öffentlich mit diesem Brief, allen, die ihn sehen oder vorgelesen bekommen, dass wir wegen des Streites, der Uneinigkeit und des Aufruhrs, den in Heilbronn die Bürger auf der einen Seite und die Gemeinde auf der anderen Seite bis auf den heutigen Tag miteinander hatten, sie miteinander versöhnt haben auf gütliche Weise, wie im Folgenden geschrieben steht:

Zum Ersten entscheiden und richten wir, dass die Sechsundzwanzig, die nun aus den Bürgern und der Gemeinde im Rat und im Gericht zu Heilbronn sitzen, im Amt bleiben sollen bis zum nächsten Johannistag zur Sonnwende. Acht Tage vor dem Johannistag sollen die Bürger, die äußeren und inneren, aus ihrem Kreis dreizehn, die während des Jahres weder dem Rat noch dem Gericht angehört hatten, auf ihren Eid auswählen. Diese Dreizehn, die aus dem Kreis der Bürger erwählt werden, sollen aus ihrer Mitte sechs Richter und einen Bürgermeister auswählen. So sollen auch die Gemeinen unter sich diejenigen, die im Rat und Gericht bleiben sollen, also die Dreizehn aus der Gemeinde, die während des Jahres weder dem Rat noch dem Gericht angehört hatten, auf ihren Eid auswählen. Und diese Dreizehn, die aus der Gemeinde erwählt wurden, sollen ebenfalls sechs Richter und einen Bürgermeister aus ihrer Mitte auf ihren Eid auswählen.

Nachdem sie gewählt wurden, sollen Bürgermeister, Rat und Richter mit erhobenen Fingern ihren Eid auf die Heiligen ablegen, aufrichtig sowohl über die Armen als auch die Reichen zu richten und zu beraten. Die zwölf Richter sollen über Arme wie Reiche Recht sprechen auf ihren Eid, den sie abgelegt haben, und dafür weder Gold noch Silber oder Gebühr verlangen.

Die Bürgermeister, der Rat und die Richter sollen in den Rat und das Gericht eintreten am Johannistag zur Sonnwende, wie oben geschrieben steht, und im Rat und im Gericht bleiben, wie oben geschrieben steht, vom einen Johannistag zur Sonnwende bis zum nächsten ein Jahr später. Acht Tage vor der Wiederkehr des nächsten Johannistages zur Sonnwende sollen die Bürgermeister und der Rat aus ihrem jeweiligen Teil andere Dreizehn auf ihren Eid auswählen, in der Weise, wie es oben beschrieben ist. So sollen in Zukunft alle Jahre Bürgermeister, Rat und Gericht geändert werden, wie es oben beschrieben ist.

Falls jedoch einer oder mehrere aus den genannten Parteien sterben sollten, so sollen die anderen derselben Parteien einen oder mehrere andere, so viel wie gestorben sind, aus ihrem Teil wählen und erneuern, anstatt des oder der Verstorbenen, und zwar innerhalb von acht Tagen. Dies soll geschehen, so oft es notwendig ist, sodass jederzeit die volle Zahl der Dreizehn aus jedem Teil vorhanden ist.

Diese Änderungen und alle vorgeschriebenen Artikel sollen zukünftig Bestand haben, und worüber die beiden Bürgermeister und der Rat oder die Mehrheit unter ihnen übereinkommen, das soll bleiben und Bestand haben. Sie sollen aufgrund ihres Eids wöchentlich ohne Vorberatung am Dienstag aufrichtig Rat halten und wichtige Angelegenheiten und Bedürfnisse der Stadt darin vor allen anderen Dingen aufrichtig aushandeln.

Wenn der Rat der Stadt auf diese Weise eingesetzt ist, sollen alle Bürger und Gemeinen, reiche und arme, den Bürgermeistern Gehorsam geloben gegen das, was der Rat oder eine Mehrheit im Rat beschließt oder beschlossen hat. Wenn eine so große Angelegenheit anstehen sollte, dass es den Sechsundzwanzig oder einer Mehrheit unter ihnen so erscheint, dass sie dafür mehr Leute brauchten, so können sie, wie sie wollen, den alten Rat, der ihnen vorausgegangen ist, oder die Mehrheit daraus aufrichtig zu sich rufen und aufnehmen, der dann mit ihnen über die Sache sitzen soll und ihnen helfen soll mit Rat und Tat, was in der Sache abzuwägen und zu tun sei.

Es sollen die Bürgermeister und zwei außerhalb des Rates, einer von den Bürgern und einer aus der Gemeinde, die der Rat dazu auswählt und einsetzt, alle Schlüssel zu Toren, Türmen, Siegeln und Briefen haben. Darüber hinaus soll der Rat künftig jedes Jahr alle Ämter außerhalb des Rates durch Bürger und Gemeinde gleich besetzen.

Sie sollen jedes Jahr vier Rechner einsetzen, zwei aus den Bürgern und zwei von der Gemeinde, die das Vermögen der Stadt einnehmen, beide Steuern, die Einkünfte aus den Ämtern, die ihnen Gehorsam schulden, und alle anderen Einkünfte. Die vier Rechner sollen dem Rat zu jedem Fronfasten aufrichtig ihre Rechnung vorlegen, was sie für das Vermögen der Stadt eingenommen haben. Sie sollen außerdem in der genannten Stadt Heilbronn an den Wachen, am Graben und allen anderen notwendigen Bauten und an anderen Sachen, die notwendig sind und die der Rat oder die Mehrheit im Rat für notwendig erachten, ihren eigenen Anteil tragen wie die anderen Bürger.

Falls einer oder mehrere, die Bürger sind oder waren, aus dem Kreis der Bürger oder der Gemeinde gegen diese Artikel verstößt, so soll dies keine Gültigkeit haben und derjenige, der das täte und überführt würde, soll meineidig, treulos und ehrlos sein und sein gesamtes Vermögen wird eingezogen, eine Hälfte zu Gunsten des Reiches und eine Hälfte für die Stadt Heilbronn. Außerdem sollen er, seine Ehefrau und die Kinder, die in seinem Haushalt leben, die Stadt und ihr Gebiet auf ewig verlassen und nie wieder zurückkommen.

Alle oben niedergeschriebenen Gesetze und Rechte sollen die Bürger und Gemeinen, reiche und arme, in der Stadt Heilbronn zu den Heiligen schwören, sie stets aufrichtig zu halten. Wenn sie die Betsteuer erklären und geloben, so sollen sie auch diese Rechte und Gesetze in dieselben Eide und Gelübde aufnehmen, sie stets aufrichtig zu halten.

Außerdem entscheiden wir, dass es keine Zünfte geben soll, nachdem wir sie aufgelöst haben.

Zur Urkunde geben wir diesen Brief, versiegelt mit unserem kaiserlichen Siegel, ausgefertigt in Bautzen, im 1372. Jahr nach Christi Geburt am Tag der heiligen Kindlein, im 26. Jahr unseres Reichs und im 17. Jahr als Kaiser.


Anmerkungen:
Bürger: Patrizier, alt eingesessener „Stadtadel“
Gemeine bzw. Gemeinde: Handwerker und Kaufleute, die an Einfluss gewonnen hatten und nach politischer Mitsprache strebten.
Johannistag zur Sonnwende: 24. Juni
Äußere und innere Bürger: Andere Bezeichnung für „Gemeine“ und „Bürger“
Fronfasten: Viermal im Jahr, jeweils vor hohen Kirchenfeiertagen, waren Steuertermine
Betsteuer: Steuer, die von den Bürgern „erbeten“ wurde.
Zünfte: Handwerkerorganisation, die u.a. nach Beteiligung am Stadtregiment strebte. Nach ihrer Aufhebung gab es in Heilbronn nur noch „Gesellschaften“ ohne politische Bedeutung.
Bautzen: Stadt in Sachsen, in der sich Karl IV. zum Jahreswechsel 1371/72 aufhielt.
Kindleinstag: 28. Dezember. Da das Jahr damals am 25. 12. begann, wird er hier bereits dem Jahr 1372 zugerechnet.

 

Arbeitsanregungen

  • Stellt die Heilbronner Stadtverfassung von 1371 in einem Schaubild dar.
  • Vergleicht diese Verfassung mit dem ältesten bekannten Heilbronner Stadtrecht von 1281. Wo erkennt ihr entscheidende Veränderungen?
  • Welche Bestimmungen sollten vor Machtmissbrauch schützen?
  • Diskutiert, ob die mittelalterlichen Städteverfassungen als Keimzelle des demokratischen Rechtsstaats betrachtet werden können.
  • Die „Gemeinen“ haben mit diesem königlichen Urteilsspruch über den Streit mit den „Bürgern“ ihre Forderung nach politischer Mitsprache zumindest teilweise erreicht. Allerdings löste der Kaiser gleichzeitig die Zünfte, ihre politische Organisation, auf. Gestaltet eine Rede, die ein ehemaliger Zunftmeister vor seinen ehemaligen Zunftgenossen hätte halten können.