Samstag, 30. Juni 1945
"In Nürtingen verstirbt Prälat Wilhelm Gauß im Alter von 76 Jahren. Er war von 1910 (schon als Vikar) bis 1944 in Heilbronn an der Kilianskirche tätig. Nach dem 4. Dezember 1944 evakuierte er zunächst nach Reichenbach a. d. F. Mit ihm scheidet der letzte Prälat Heilbronns aus dem Leben, da die Prälatur nach Schwäbisch Hall verlegt wurde.
Im Standesamtsregister sind für die Zeit vom 1. April – 30. Juni 1945 insgesamt 173 Todesfälle verzeichnet. Zu diesen zählen auch die während des Kampfes um Heilbronn auf Befehl von Kreisleiter Richard Drauz wegen des Hissens von weißen Fahnen Erschossenen, u.a. Stadtrat Karl Kübler, seine Frau Anna und sein Schwager, Pfarrer Gustav Beyer, sowie Kaufmann Karl Taubenberger (Sontheim). Unter den verstorbenen 87 Männern und 61 Frauen überwiegen bei weitem die Altersstufen 60 und mehr Jahre, darunter auch die hundertundeinjährige Marie Rahmer, geb. Bachmann (Sontheim). An Kindern starben 15 Knaben und 10 Mädchen, einige durch den Beschuß während des Kampfes um die Stadt.
Im Juni ist der frühere Silberschmied Walter Vielhauer als Assistent von OB Emil Beutinger in die Stadtverwaltung eingetreten; er war vor dem Dritten Reich politisch für die Kommunistische Partei tätig und deshalb später im Konzentrationslager Dachau interniert.
In den letzten Tagen haben aufgrund einer amerikanischen Anordnung ehemalige Parteigenossen der NSDAP begonnen, in den wichtigsten Straßen der Wohnviertel die Trümmer wegzuräumen. Ebenso wird Dreck und Abfall (Müllabfuhr gibt es noch nicht) abgeholt, wozu Bauern mit Kuh- und Pferdefahrzeugen und Traktoren aus den umliegenden Ortschaften herangezogen werden; der Ausbruch von Seuchen, den die Amerikaner sehr fürchten, soll damit verhindert werden.
Cilli Theilacker, geb. Oppenheimer, eine von neun Heilbronner Juden und Jüdinnen, welche die Deportation und KZ-Haft überlebt haben, kehrt in diesen Tagen von Theresienstadt, wohin sie 1944 verbracht worden war, nach Heilbronn zurück."