Ehrenhalle

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Ort des Gedenkens - Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus

Die Ehrenhalle ist ein wichtiger Bestandteil der Heilbronner Erinnerungskultur und gehört zu einem Netz von Gedenkorten im Stadtgebiet. Sie wurde in den frühen 1960er Jahren eingerichtet: als Gedenkstätte zur Erinnerung an die Heilbronner Gefallenen und Vermissten des Zweiten Weltkriegs, die Opfer der Bombenangriffe auf die Stadt und die Verfolgten des NS-Regimes.

Ursprünglich beherbergte das Gebäude das städtische Archiv. Es wurde im Stil des Rokokos 1765/66 von Johann Christoph Keller (1732 – 1801) aus Heilbronner Sandstein errichtet. Der Bombenangriff auf die Stadt durch die Royal Air Force am 4. Dezember 1944 zerstörte den repräsentativen Archivbau erheblich. Nur die Außenmauern blieben beschädigt stehen. Die einstige Schönheit lässt sich noch heute am ornamentalen Schmuck der Außenwände erahnen.

15 Jahre nach Kriegsende begann die Stadtverwaltung, den Umbau der Archivruine zum Erinnerungsort „Ehrenhalle“ zu planen. Ziel war es, einen würdevollen Ort der Trauer, des Gedenkens und der Erinnerung zu schaffen. Deshalb wurde die Außenfassade im Sinne eines Mahnmals bewusst nur stabilisiert, nicht aber restauriert. Gleichzeitig sollte die Gestaltung die Hoffnung auf eine bessere Zukunft und Frieden vermitteln. Die Fertigstellung erfolgte 1963.

Die Realisierung des Umbaus verantwortete Dr. Ing. Rudolf Gabel (1907 – 1991) aus Heilbronn. Er gehört aufgrund seiner Mitgliedschaften in der NSDAP und kurzzeitig in der SS zu den Persönlichkeiten der Heilbronner Nachkriegsgesellschaft, die aufgrund ihrer NS-Verflechtung heute kritisch diskutiert werden.

Die Ehrenhalle zeigt sich als hoher offener Raum. Sein gestalterischer Mittelpunkt ist eine Wand mit Inschrift und Versen, die von dem Bildhauer Prof. Karl Knappe (1884 – 1970) aus München gestaltet wurde. Knappe verwendete dafür verschiedenfarbige Steine sowie die Farbtöne Weiß, Braun und Gold. Weiße Kreuze erinnern an christliche Gräber. Die Kerzenleuchter, Fotos und der Kranzständer im Raum sind gestalterisch auf die Gedenkwand abgestimmt.

Zentral für die Gestaltung der Ehrenhalle sind eine Inschrift aus der Verantwortung der Stadt Heilbronn und Verse des Heilbronner Oberstudienrats im Ruhestand Dr. August Köhler (1890 – 1970):

"Wir gedenken
Unserer Toten aus dem Zweiten Weltkrieg 1939-1945
3435 Gefallene und Vermisste,
Unserer Opfer aus den Bombenangriffen auf unsere Stadt
7137 Männer, Frauen und Kinder.
Der 405 Verfolgten, die um ihrer Rasse, ihres Glaubens
und ihrer Überzeugung willen ihr Leben verloren."

"In Brand und Sturz, im Schwinden und Werden,
über Särge und Wiegen wölbt hoch die Gnade ihr Zelt.
Aus der Toten Gedächtnis erwachse der Wille,
das Gute zu wirken, dem Frieden der Erde zu dienen."

Auch Dr. August Köhler ist heute wegen seiner NS-Verflechtung umstritten. Er war Mitglied bei der NSDAP sowie bei der SA und bei Zeitgenossen als überzeugter Nationalsozialist bekannt.
 

Gedenken wandelt sich

Inschrift und Verse der Ehrenhalle sind im Geist der Nachkriegszeit verfasst und entsprechen nicht dem heutigen Verständnis von angemessenem Gedenken. Die Kritik gilt weniger den aufgeführten Opferzahlen, die nicht exakt stimmen – die ganz genaue Zahl wird sich wohl nie herausfinden lassen. Die Kritik gilt vor allem der Verwendung des Begriffs „Rasse“ sowie Aspekten, die etwas verborgen liegen und erst dechiffriert werden müssen. Diese Dechiffrierung ist wichtig, denn sie bewahrt uns davor, unser Gedenken unbewusst oder unbemerkt zu akzentuieren oder abzustufen – und damit mancher Opfer weniger, oder unangemessen, oder gar nicht zu gedenken. 

Der Begriff „Rasse“ ist, bezogen auf Menschen, schlicht falsch, wie Wissenschaftler schon seit langem klar erwiesen haben. Dass er bis heute in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz steht, ist seit Jahren umstritten, und sein bisheriger Verbleib darin vor allem juristisch begründet. In der Ehrenhalle geht es aber nicht um Gesetzgebung oder Rechtsprechung, sondern um Gedenken – und zwar um UNSER Gedenken an eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte unserer Stadt und unseres Landes. Der Gebrauch des Begriffs der „Rasse“ in unserer Gedenkinschrift ist daher höchst problematisch.

Ein zweiter Kritikpunkt betrifft die Verwendung des Wortes „unsere“: Die Opfer der Luftangriffe, die gefallenen Soldaten und die Vermissten werden als „unsere“ Opfer bezeichnet. Verfolgte aufgrund ihrer Herkunft, ihres Glaubens und ihrer Überzeugung, wie jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, Sinti und Roma sowie politische Opfer werden dagegen nicht als „unsere“ bezeichnet und dadurch ausgegrenzt. Sie haben auch nicht – dies ist ein weiterer Kritikpunkt – „ihr Leben verloren“. Die aufgrund nationalsozialistischer Verfolgung Gestorbenen sind von der Mehrheit der Gesellschaft ausgegrenzt, gedemütigt, entrechtet, misshandelt und anschließend grausam und kaltblütig ermordet worden. Die Redewendung „das Leben verlieren“ verschleiert die Brutalität ihrer Todesumstände und die Frage nach Schuld und Mitschuld.

Zudem ist die Aufzählung der Opfergruppen in der Inschrift nicht vollständig. Es fehlen u.a. die Opfer der Krankenmorde, der so genannten „Euthanasie“, es fehlen die Zwangsarbeiter, die nach Heilbronn verschleppt worden waren und hier verstarben, es fehlen die Kriegsgefangenen, die unter anderem im KZ Neckargartach an Hunger, Kälte und medizinischer Vernachlässigung zugrunde gingen. Opfer aus der ebenfalls verfolgten Gruppe der Homosexuellen sind in Heilbronn bislang keine bekannt, was möglicherweise den Quellen geschuldet ist; auch diese Gruppe wird in der Inschrift nicht bedacht.

Kritisiert wird außerdem die getrennte Erwähnung der Opferzahlen. Der ursprüngliche Entwurf für die Inschrift hatte eine Gesamtzahl für alle Opfer vorgesehen. Bei der endgültigen Festlegung der Inschrift beschloss der Kulturausschuss, die Opfergruppen getrennt aufzuführen, um „eine stärkere Wirkung“ hervorzurufen. Welche Wirkung war gemeint? Eine jedenfalls ist diese: Durch die vielen tausend toten Soldaten und Bombenopfer erscheinen die 405 Opfer der Verfolgungen als vergleichsweise „wenige“. Die Heilbronner, so die Wirkung, haben verhältnismäßig mehr als „die Verfolgten“ gelitten.

Die Stadt Heilbronn hat sich aufgrund der aufgeführten Kritikpunkte dafür entschieden, die ursprüngliche Gestaltung durch eine neue Inschrift zu ergänzen. Diese lautet: „HEILBRONN GEDENKT DER OPFER DES NATIONALSOZIALISMUS“. Damit wird ausdrücklich an alle Opfer, Verfolgte und Ermordete des Nationalsozialismus ohne Abstufung und Wertung erinnert. Außerdem wird der umstrittene Rassebegriff vermieden. 

Die ursprüngliche Inschrift bleibt als Zeugnis ihrer Entstehungszeit erhalten, um Diskussionen und den Austausch über die Zeit des Nationalsozialismus und die Heilbronner Erinnerungskultur anzuregen.