Erster Weltkrieg - Krieg in der Heimat

Vorgestellt von Ulrich Maier

 

Der Landeskundebeauftragte Ulrich Maier hat sich eingehend mit dem Thema beschäftigt. Seine Ausarbeitung enthält neben didaktischen Hinweisen Quellen und Arbeitsblätter mit Erläuterungen und Arbeitsaufträgen.

 

Als "Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts" [1] hat George F. Kennan den Ersten Weltkrieg bezeichnet und damit die Einschätzung dieses Krieges bis heute geprägt. Vier Jahre zwischen 1914 und 1918 veränderten Europa vollständig und nachhaltig. Das Wertesystem, welches das 19. Jahrhundert geprägt hatte, war in diesem Krieg endgültig zusammengebrochen. Demokratie und Arbeiterbewegung zeigten sich nach seinem Ende schwach und zerstritten. Faschismus und Stalinismus prägten für Jahrzehnte die Entwicklung in weiten Teilen des Kontinents.

Das Zitat kann aber auch so verstanden werden, dass die Geschichte des 20. Jahrhunderts ohne die Umbrüche des Ersten Weltkriegs kaum zu verstehen ist. Was ging in den Menschen vor, die sich dieser Entwicklung ausgesetzt sahen? Vieles spiegelt sich in den Briefen, Tagebüchern, Berichten der Frontsoldaten, in literarischen Aufarbeitungen des Erlebten, manches nicht weniger Aufschlussreiche aber auch in zahlreichen Zeugnissen aus der "Heimatfront" - ein problematisches Schlagwort, das sich in der Zeit des Ersten Weltkrieges in Deutschland durchgesetzt hat. [2]

Die Ausstellungsmacher von "Heilbronn historisch!" haben für ihr Modul zum Ersten Weltkrieg die Modellfigur des "Eisenhart" ins Zentrum gerückt, der ersten vollplastischen Nagelfigur, wie sie während des Ersten Weltkriegs in vielen deutschen Städten vom Roten Kreuz aufgestellt worden waren. [3] "Weich Holz zuerst, dann Eisenhart, so ward in Not die deutsche Art." Mit diesem Werbespruch wurden Kinder, Männer und Frauen dazu aufgerufen, gegen eine Geldspende einen Nagel in das "weiche Holz" zu schlagen, um die Figur - und vielleicht auch die eigene Seele -"eisenhart" für den Krieg werden zu lassen. Dafür steht der Heilbronner "Eisenhart" in der Ausstellung exemplarisch.

Die Opferbereitschaft der Menschen in der Heimat sollte die Kampfkraft der Soldaten draußen an der Front stärken. Dabei ging es zunächst ganz konkret darum, wie das Geld für die Rüstung aufgebracht werden konnte. So finanzierte das Deutsche Reich die Kosten des Krieges zum großen Teil (etwa 60%) aus Kriegsanleihen (neun Auflagen, 98 Milliarden Mark), die im Vertrauen auf einen Sieg und die Deckung der Kriegskosten durch unterlegene Gegner gekauft wurden. Kriegsanleihen gab es auch in Sparkartenformat, beispielsweise für eine Mark, die auch Schulkinder kauften. Geldentwertung, Staatsverschuldung und Inflation machten sie nach dem Kriege wertlos. Mit Aktionen wie "Gold gab ich für Eisen" wurde Schmuck eingesammelt, besonders Gold, das die Reichsbank zur Deckung der inflationären Währung dringend brauchte.

Der Krieg veränderte das Leben jedes Einzelnen von Grund auf. Das zeigen etwa die Maßnahmen der Nahrungsmittelrationierung, das zeigen Beispiele aus dem Schulleben, wenn etwa wegen der Not-Lazarette in den Turnhallen kein Sportunterricht mehr stattfinden konnte oder wenn wegen in den Krieg eingezogener Lehrer Klassen zusammengelegt werden mussten; das zeigen Beispiele aus dem Pressewesen mit von militärischer Seite lokal angeordneter Pressezensur oder Beispiele der Betroffenheit über die sich häufenden Traueranzeigen für gefallene Soldaten. Solche Auswirkungen des Krieges auf die Menschen in Heilbronn und Umgebung sollen in den folgenden Arbeitsmaterialien in Ergänzung zum Ausstellungsmodul mit Quellen aus dem Stadtarchiv Heilbronn deutlich gemacht werden.


[1] "the great seminal catastrophe of this century”, George F. Kennan, The Decline of Bismarck’s European Order, Princeton 1979, S. 3.
[2] Vgl. dazu: Elke Koch, "Jeder tut, was er kann, fürs Vaterland": Frauen und Männer an der Heilbronner "Heimatfront". In: Kriegserfahrungen. Studien zur Sozial- und Mentalitätsgeschichte des Ersten Weltkriegs, herausgegeben von Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Dieter Langewiesche und Hans-Peter Ullmann, Schriften der Bibliothek für Zeitgeschichte - Neue Folge 5, Essen 1997, S. 36-52.
[3] Peter Wanner, Heilbronn historisch! Entwicklung einer Stadt am Fluss, mit Beiträgen von Christina Eiber et. al., Kleine Schriftenreihe des Archivs der Stadt Heilbronn 62, Heilbronn 2013, S. 128.