Was in der Kilianskirche vom alten und neuen Glauben zu sehen ist

Lerngang in die Kilianskirche. Die Ziffern 1-6 beziehen sich auf die Nummern im Plan.

1: Beim Betreten der Kirche fallen neben der feierlichen Stille die Kirchenbänke auf. Sie sind die sichtbarste Errungenschaft der Reformation, weil sich der Predigtgottesdienst als vorherrschende Gottesdienstform durchgesetzt hat und weil das Hören auf Gottes Wort und das gemeinsame Singen zentrale Bestandteile evangelischer Frömmigkeit darstellen. Vorher war das Kirchenschiff "leer", an den Wänden und Nischen standen Altäre, an denen Messen gelesen wurden. Zahlreiche Menschen hielten sich zu jeder Zeit in der Kirche auf, es war ein ständiges Kommen und Gehen, zur Andacht oder zu einem Gebet, zur Kommunion oder Beichte, oft auch zu weltlichen Geschäften und Gesprächen. Da es in der evangelischen Kirche keine Heiligenverehrung gibt, wurden die zahlreichen Altäre im Laufe der Zeit beseitigt, es gab aber keinen Bildersturm in Heilbronn.

 

 

2: Zentraler Ort wurde die Kanzel, deren Platz im Kirchenschiff mehrfach verlegt wurde. Am Chorbogen über der Kanzel sieht man zwei Engel, die das Stadtwappen halten – ein Hinweis auf die "Bürgerkirche", weil die Ausstattung der Kirche von einzelnen Bürgern und ihren Organisationen gespendet worden ist. Am gegenüberliegenden Pfeiler ist das Wappen der Patrizierfamilie Erer angebracht, die vermutlich an der Stiftung des Hochaltars beteiligt war.

 

3: Der berühmte Schnitzaltar ist ein Zeugnis vorreformatorischer Frömmigkeit, worauf besonders die Zentralfigur der Maria (als Sinnbild der Kirche) hinweist. Dazu gehören auch die Kirchenpatrone Petrus und Kilian sowie die beiden Märtyrerfiguren im Mittelschrein. Die theologische Konzeption sowie die kunstgeschichtliche Bedeutung des Altars im einzelnen können hier nicht ausgeführt werden (vgl. C 4 und E 5). Der Altar hat für den evangelischen Gottesdienst keine Bedeutung mehr.

 

4: Auch die Reste des Sakramentshauses haben nur noch kunstgeschichtlichen Wert. In der Nische wurden vor der Reformation die Hostien aufbewahrt, die bei der Kommunion den Gläubigen gereicht werden (vgl. E 4).

 

5: Im nördlichen Seitenchor sind noch Reste von Epitaphen (Grabmäler) zu sehen, die früher in der ganzen Kirche verteilt waren. Bemerkenswert ist die Bronzeplatte von Johann Kröner, dem letzten katholischen Geistlichen an der Kilianskirche (vgl. C 2).

 

6: Die Taufkapelle im südlichen Seitenchor ist deswegen erwähnenswert, weil der (moderne) Taufstein noch mit fließendem Wasser aus dem Kirchbrunnen gespeist wird und auf das uralte Quellheiligtum als Vorläufer der christlichen Kirchenbauten verweist. Außerdem ist die Taufe (neben dem Abendmahl) das einzige Sakrament, das in der lutherischen Kirche beibehalten wurde und eine Verbindung zur katholischen Kirche herstellt: die Kirchen erkennen die jeweilige Taufe als "gültig" an.