Quellen und Materialien mit Arbeitsaufträgen

M 1: Was war geschehen? Die beiden Kaiserattentate 1878

Als Kaiser Wilhelm I. am 11. Mai 1878 in Begleitung seiner Tochter, der Frau des Großherzogs von Baden, in einer offenen Kutsche durch Berlin fuhr, gab der Leipziger Klempnergeselle Max Hödel mit einem Revolver mehrere Schüsse auf ihn ab.

Niemand wurde getroffen. Die Wogen der Empörung gingen hoch. Da der Täter ehemaliges Mitglied der Sozialdemokraten war, vermutete man einen Zusammenhang mit deren Programm. Nicht beachtet wurde dabei, dass Max Hödel Monate zuvor aus der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) ausgeschlossen worden war und seitdem am rechten Rand der Nationalliberalen gegen die SAP in den nationalliberalen Blättern Leipzig agitiert hatte. Wenige Wochen nach der Tat wurde Hödel hingerichtet, ohne dass seine Tatmotive ausreichend geklärt wurden.

Drei Wochen danach kam es am 2. Juni 1878 fast an der selben Stelle „Unter den Linden“ in Berlin zu einem weiteren Attentat. Kaiser Wilhelm fuhr diesmal ohne Begleitung in einer offenen Kutsche in Richtung Tiergarten, als ihn zwei Schüsse aus einer doppelläufigen Flinte trafen, die aus einem Haus an der Straße abgefeuert wurden. Der Kaiser wurde von 30 Schrotkörnern an Kopf und Armen schwer verletzt. Nur aufgrund dessen, dass er eine Pickelhaube trug, kam er mit dem Leben davon. Der Täter war ein junger promivierter Landwirt aus angesehener Familie, Dr. Eduard Nobiling.

Gleich nach der Tat unternahm Nobiling einen Selbstmordversuch, der ihm für Wochen das Bewusstsein raubte. Er starb einige Monate nach der Tat im Gefängnis. Es gilt als sicher, dass er als Einzeltäter gehandelt hatte.

Der damalige Reichskanzler Otto von Bismarck nahm die Attentate zum Anlass, „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ ein Gesetz durchzusetzen.

Am 7. Juni 1878 – noch vor dem zweiten Attentat - hatte der Reichstag dieses Gesetz abgelehnt. Darauf ließ Bismarck den Reichstag auflösen und Neuwahlen ausschreiben. Am 30. Juli fanden die Neuwahlen zum Reichstag statt. Der neu zusammengetretene Reichstag billigte das Gesetz im Oktober 1878.

 

 

Arbeitsanregung

  • Vergleiche Bild und Begleittext. Welches Attentat ist auf dem Bild dargestellt?
  • Diskutiert das Vorgehen des Reichskanzlers Otto von Bismarck

M 2: Die Täter

Max Hödel wurde am 27.Mai 1857 in Leipzig geboren. Der gelernte Klempnergeselle schloss sich zunächst den Sozialdemokraten an, bevor er sich mit ihnen überwarf und aus der Partei ausgeschlossen wurde. Hödel agitierte nun in verschiedenen Zeitungsartikeln gegen die Sozialdemokratie und bewegte sich in nationalkonservativen Kreisen.

Am 11. Mai schoss er „Unter den Linden“ in Berlin auf die offene Kutsche, in der Kaiser Wilhelm I und seine Tochter, die Gemahlin des badischen Großherzogs, saßen. Durch die Schüsse, die alle ihr Ziel verfehlten, wurde niemand verletzt. In der Presse wurde der Attentatsversuch als „Tat eines Wahnsinnigen“ bezeichnet. Unmittelbar danach konnte Hödel gestellt und festgenommen werden. Am 10. Juli 1878 verurteilte ihn der Preußische Staatsgerichtshof wegen Hochverrats zum Tode. Max Hödel wurde am 16. August 1878 im Gefängnis Berlin-Moabit enthauptet.

 

Karl Eduard Nobiling kam am 10.4.1848 in der Domäne Kolo bei Birnbaum, Provinz Posen als Sohn eines Gutspächters zur Welt. Er studierte Landwirtschaft und schloss sein Studium mit der Promotion ab. In Dresden soll Nobiling in Kontakt zu sozialistischen Kreisen getreten sein.

Am 2. Juni 1878 schoss er mit einem doppelläufigen Gewehr, das mit grobem Schrot geladen war, aus dem Haus „Unter den Linden 18“zweimal auf die offene Kutsche, in der Kaiser Wilhelm I. in Richtung Tiergarten fuhr. Der Kaiser wurde schwer verletzt. Danach schoss sich Nobiling mit einem Revolver in den Hinterkopf. Der Selbstmordversuch misslang und Nobiling wurde am Tatort verhaftet. Er konnte nach der Tat nur noch kurz vernommen werden, dann verlor er das Bewusstsein. Er starb im Gefängnis am 10. September 1878 an einer Lungenlähmung. Die Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass Nobiling als Einzeltäter gehandelt hatte.

Seine Familie nahm nach dem Attentat den Namen „Edeling“ an.

 

Arbeitsanregung

  • Vergleicht die Biographien der Attentäter nach ihrer Herkunft und ihrem Bildungsstand.
  • Reichskanzler Otto von Bismarck nahm die Vorfälle zum Anlass, ein Gesetz „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ auf den Weg zu bringen, die hinter den beiden Attentaten stünde. Diskutiert darüber.

M 3: Die Aktion in Heilbronn: Flugblatt vom 10. Juni 1878 der Sozialistischen Arbeiterpartei Heilbronn

Transkription

Trau! Schau! Wem?

Die Wogen der Verleumdung gehen hoch! Es gibt keine Schlechtigkeit, es gibt keine Niedertracht, die man jetzt der Sozialdemokratie nicht anlöge, und warum? Wir wollen den wahren Grund der Sozialistenhetze hier aufdecken. Schon längst werden wir Sozialdemokraten glühend gehasst von den Geldprotzen, von den Regierungs- und Amtsleuten und von den Pfaffen:

Die Geldprotze hassen uns, weil wir ihrer Ausbeutung des arbeitenden Volkes Schranken setzen wollen, weil wir für den Arbeitsmann einen Lohn verlangen, mit dem er menschenwürdig leben kann, weil wir haben wollen, dass der Familienvater so viel verdiene, dass er nicht auch die Frau in die Fabrik schicken muss. Sie hassen uns, weil wir verlangen, dass nicht nur die kleinen Diebe, sondern auch die großen, die Gründer und Schwindler, die Millionen gestohlen, dorthin kommen, wohin sie gehören. Sie hassen uns, weil wir uns dagegen wehren, dass man durch Akzisen auf Fleisch, Bier usw. die Steuern auf das arme Volk abwälze.

Die Regierungs- und Amtsleute hassen uns, weil wir dem Volke sagen, dass es zu etwas Besserem auf der Welt ist, als um Steuern zu zahlen, Soldat zu werden und das Maul zu halten, weil wir es für Unrecht erklären, dass der Sohn des Armen drei Jahre lang in die Kaserne gesteckt wird, während die Kinder der Reichen nur ein Jahr dienen müssen. Sie hassen uns, weil wir dagegen ankämpfen, dass die hohen Beamten riesige Gehälter verzehren, während die Subalternbeamten, die sich im Schweiße ihres Angesichts abplacken müssen, so wenig kriegen, dass sie ihre liebe Not haben, sich ehrlich durchzubringen.

Die Pfaffen endlich hassen uns, weil wir Feinde des blinden Glaubens sind und das Volk zum Selbstdenken auffordern, weil wir uns nicht begnügen mit dem billigen Hinweis auf ein besseres Jenseits, sondern mit dem Dichter sagen:

Wir wollen auf Erden glücklich sein
Und wollen nicht mehr darben
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was die fleißigen Hände erwarben.

Bisher waren alle Bemühungen dieser unserer Feinde fruchtlos. Vergebens ließen die von den Geldprotzen bezahlten Lohnschreiber unzählige Zeitungsartikel und Streitschriften gegen uns los, vergebens traten sie uns in unseren Versammlungen entgegen – die Geldprotze zogen immer den kürzeren. Vergebens lösten viele deutsche Regierungen die sozialistischen Vereine auf, vergebens klagte man unsere Redner des Hochverrats an und ließ sie jahrelang in den Gefängnissen schmachten – für einen Gefangenen wuchsen zehn neue Streiter aus dem Boden. Und vergeblich wurde auf den Kanzeln gegen uns lamentiert, es war alles umsonst, es half alles nichts, einfach deshalb, weil auf Seiten der Sozialdemokratie Recht und Wahrheit steht, und gegen die ist schwer kämpfen.

Aber unsere Gegner sind unermüdlich. Die Berliner Attentate haben ihren Eifer frisch angefacht. Geldprotze, Regierungsleute und Pfaffen, die sich früher untereinander selbst weidlich balgten, sie haben jetzt Frieden geschlossen, um mit vereinten Kräften die Sozialdemokratie auszurotten „mit Rumpf und Stumpf“, „die Sozialdemokraten“ so lügen sie jetzt mit tausend und abertausend Stimmen in die Welt, „die Sozialdemokraten sind an den Attentaten schuld, die Attentäter sind Sozialdemokraten.“

Wie aber steht die Sozialdemokratie in Wahrheit zu den Attentaten? Wir verabscheuen sie so sehr, als es die eifrigsten Anhänger des Kaisers nur können. Und das ist wahrlich keine leere Redensart, das ist unsere innerste Überzeugung. Können wir denn anders? Sind denn wir Sozialdemokraten keine Menschen? Und welchen fühlenden Menschen empört es nicht; wen erfüllt es nicht mit Entrüstung, wenn er liest, wie dieser Nobiling aus sicherem Versteck das Gewehr anlegt, auf einen Greis, der ihm nicht das Geringste zuleide getan, der sich überhaupt gegen niemand irgendeiner Provokation schuldig gemacht. Als fühlende Menschen verdammen wird die Attentate und noch viel mehr als Sozialisten, denn wir wissen aus der Geschichte, dass Attentate immer zum Nachteil derjenigen Partei ausschlugen, denen man die Attentäter in die Schuhe schieben konnte. Es wird mit Blut kein fester Grund gelegt. Kein sicheres Leben schafft uns anderer Tod. Und was für ein Interesse sollen denn wir Sozialdemokraten daran haben, wenn ein jüngerer und deshalb tatkräftiger Mann an die Stelle des jetzigen Kaisers tritt? Unsere Sache hat unter der Regierung Kaiser Wilhelms so große Fortschritte gemacht, dass wir nur von Herzen wünschen, dass alles noch recht lange im alten Gleise bleibt. So steht die Sozialdemokratie zu den Attentaten, und wie steht sie zu den Attentätern?

Hödel – wenn man den überhaupt Attentäter nennen darf – Hödel wurde einige Monate vor seiner Schießerei Unter den Linden unter Sang und Klang aus der Sozialistischen Arbeiterpartei ausgestoßen. Er ging dann zu den Nationalliberalen über und schrieb gegen die Sozialdemokratie Artikel, die von den Leipziger nationalliberalen Blättern mit Freuden aufgenommen wurden. Schließlich nahm er Dienste bei dem Hofprediger Stöcker in Berlin und kolportierte dessen Schriften, in welchen die Sozialdemokratie heftig bekämpft wird. Und für diesen Menschen sollen wir verantwortlich sein?!

Noch hundert Male weniger hat die Sozialdemokratie mit Nobiling zu schaffen. Dieser Nobiling war ein Aristokrat vom reinsten Wasser. Unter uns Sozialisten war er vollständig unbekannt. Sehr befreundet war er aber mit den erbittertsten Gegnern unserer Sache: Der Professor Roscher in Leipzig hat ihn empfohlen und unter dem Professor Böhmert in Dresden arbeitete er. Er war kein Mitglied unserer Partei, er las kein sozialdemokratisches Blatt und er schrieb für keines nur eine Zeile. Wohl aber schrieb er für den „Capitalist“, ein Börsenblatt, das früher in Stuttgart herausgegeben wurde, wohl aber spielte er an der Berliner Börse, war also ein Börsenjobber. Und der soll Sozialdemokrat sein? Die das in den Blättern schreiben, sie glauben es selber nicht, aber das Volk halten sie für dumm genug, um ihm einen solchen Bären aufbinden zu können.

Nicht wegen der Attentate werden wir Sozialisten jetzt verfolgt; unsere Gegner wissen wohl, dass wir daran unschuldig sind, wie ein neugeborenens Kind. Die Attentate sind nur ein nichtsnutziger Vorwand, der wahre Grund (der Sozialistenhetze), ruht darin, dass wir Sozialisten das arme Volk befreien wollen von dem Druck der Geldprotze, der Regierung und der Pfaffen. Das ist unser Verbrechen. Weil wir entschlossene und unbestechliche Advokate des armen Volkes sind, suchen die Feinde des armen Volkes uns auszurotten, damit sie mit dem Volke ungestört machen können, was sie wollen.

Arbeiter, Kleinmeister, Kleinbauern und Subalternbeamte! Wenn ihr Euch beirren lasset durch die zahllosen, gehässigen Verleumdungen, die man jetzt gegen uns ausstreut, wenn ihr Euch von uns abwendet und unsere Gegner triumphieren lasset, dann schadet ihr Euch selbst am allermeisten, denn Ihr seid dann um Eure besten Freunde betrogen!

Darum trau! schau! wem?

 

Arbeitsanregung

  • Gliedert den Text inhaltlich neu und gebt den einzelnen Inhaltsabschnitten jeweils eine Überschrift. Charakterisiert dann den Aufbau des Flugblatts und analysiert seinen Inhalt. Geht dabei auch auf folgende Fragen ein:
  • Mit welchen Argumenten distanzieren sich die Verfasser des Flugblatts von den Attentaten?
  • Mit welchen Argumenten untermauern sie ihren Vorwurf der Hetze gegen die Sozialdemokratie?
  • Mit welchen sprachlichen Mitteln arbeitet das Flugblatt? Wie wirkt es auf den Leser?

M 4: Bericht des Königlichen Oberamts an das Königliche Ministerium des Innern in Stuttgart, betreffend die Verbreitung eines Flugblatts der sozialistischen Arbeiterpartei in Heilbronn (15. Juni 1878)

Von Gustav Kittler, Schreiner von hier, einem Sozialdemokraten, wurde das beiliegende Flugblatt der sozialistischen Arbeiterpartei „Trau! Schau! Wem?“, Heilbronn den10. Juni 1878, Druck der Genossenschaftsbuchdruckerei in Stuttgart, Herausgeber Gustav Kittler in Heilbronn heute Vormittag mit der Anzeige übergeben, dass dasselbe zur Verbreitung in Heilbronn und Umgegend bestimmt sei.

Wegen seines in den rot angestrichenen Stellen gegen den § 23, Z.3 des Reichspressgesetzes von 1874 verstoßenden Inhalts vergl. mit §130 des Reichs-Strafgesetzbuchs hat das Oberamt sofort die zur Verbreitung bestimmten Exemplare mit Beschlag belegt.

Einzelne Exemplare wurden verbreitet, aber 2000 Stück bei Kittler noch vorgefunden und der Staatsanwaltschaft übergeben.

Zugleich wurde der K. Staatsanwaltschaft zur Erwägung anheimgebenen, ob nicht wegen der im Flugblatt jedenfalls enthaltenen Übertretung des § 131 des Reichs-Strafgesetzbuches Strafklage zu erheben sei.

Die K. Staatsanwaltschaft war mit der Verfügung und Ansicht des Oberamts einverstanden und hat bei der Rechts- und Anklagekammer des K. Kreisgerichtshofs dahier nicht nur auf Bestätigung der Beschlagnahme sondern auch auf Bestrafung Antrag gestellt, wovon ich hiedurch gehorsamst Anzeige erstatte unter dem Bemerken, dass die Kgl. Stadtdirektion in Stuttgart von der Beschlagnahme-Verfügung telegraphisch in Kenntnis gesetzt wurde.

Die Verbreitung der Flugschrift wollte ohne Zweifel bewerkstelligt werden während der Anwesenheit Seiner Majestät des Königs am heutigen Abend, unter dem zahlreich versammelten Publikum

Ehrerbietigst

Königliches Oberamt.

Anmerkung:

König Karl von Württemberg reiste an diesem Tag von Mergentheim nach Heilbronn.

Rot angestrichen waren folgende Passagen des beiliegenden Flugblatts:

2. Absatz: „Schon längst werden wir Sozialdemokraten glühend gehasst von den Geldprotzen, von den Regierungs- und Amtsleuten und von den Pfaffen“

3. Absatz: „Sie hassen uns, weil wir verlangen, dass nicht nur die kleinen Diebe, sondern auch die großen [...] dorthin kommen, wohin sie gehören.“

4. Absatz: [Sie hassen uns...] „weil wir es für Unrecht erklären, dass der Sohn des Armen drei Jahre lang in die Kaserne gesteckt wird, während die Kinder der Reichen nur ein Jahr dienen müssen. Sie hassen uns, weil wir dagegen ankämpfen, dass die hohen Beamten riesige Gehälter verzehren, während die Subalternbeamten, die sich im Schweiße ihres Angesichts abplagen müssen, so wenig kriegen, dass sie ihre liebe Not haben, sich ehrlich durchzubringen.“

12. Absatz: Die Attentate sind nur ein nichtsnutziger Vorwand, der wahre Grund [der] Sozialistenhetze ruht darin, dass wir Sozialisten das arme Volk befreien wollen von dem Druck der Geldprotzen, der Regierung und der Pfaffen.“

 

Arbeitsanregung

  • Markiert auf dem Flugblatt (M 3) die oben in der Anmerkung genannten Stellen.
  • Diskutiert darüber, ob der hier erhobene Vorwurf der Volksverhetzung zutrifft.
  • Führt Protokoll und fasst abschließend euer Ergebnis in einem Satz zusammen.

M 5: Bericht des Königlichen Oberamts an das Königliche Ministerium des Innern in Stuttgart, betreffend die Verbreitung eines Flugblatts der sozialistischen Arbeiterpartei in Heilbronn (15. Juni 1878)

Name und Sitz, Zeit der Gründung: Sozialistische Arbeiterpartei in Heilbronn, gegründet 1872 und bestehend aus der Holzarbeitergenossenschaft, der Schuhmachergenossenschaft, der Metallarbeiter Genossenschaft, dem Arbeitermännerchor (Gesangverein)

Statutenmäßiger Zweck:
Das Programm ist das beiliegende der sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands.

Der Zweck ist:
freier Staat, sozialistische Gesellschaft, Zerbrechen des ehernen Lohngesetzes durch Abschaffung des Systems der Lohnarbeit, Aufhebung der Ausbeutung in jeder Gestalt, Beseitigung aller sozialen und politischen Ungleichheit, internationale Verbrüderung aller Menschen.

Zahl der Mitglieder:
40 – 45 wirkliche Mitglieder, Anhänger der sozialdemokratischen Bestrebungen: ca. 200 (diese geben nur Geldunterstützungen).

Name und Wohnort der Vorsteher:
Vorsitzender, Leiter der Versammlungen und der Colportage sozialistischer Beschlüsse und Flugblätter: Kittler, Gustav, Schreiner in Heilbronn

Vermögen:
0. Überschüssige Gelder werden an die Zentralkasse abgeliefert. Unterstützungskasse ist mit dem Verein keine verbunden.
Eine Sammelliste von in Rubrik am Schluss bemerkten Mitgliedern ist angeschlossen.

Verbindungen:
Die hiesige Partei steht mit der sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands mit dem Sitz in Hamburg in Verbindung, mit der Internationale aber nicht direkt.

Wirksamkeit:
Dass der hiesige Verein sozialdemokratische, sozialistische und kommunistische, auf Untergrabung der bestehenden Staats- und der Gesellschaftsordnung gerichteten Bestrebungen huldigt, geht aus dem Anschluss an die sozialistische Arbeiterpartei in Deutschland, deren Programm beigelegt und in Rubrik 2 kurz bezeichnet ist, hervor.
Verurteilungen sind bis heute keine erfolgt.
Der Vorsitzende Kittler steht gegenwärtig wegen Vergehens im Sinne des § 130 des deutschen Strafgesetzbuchs; wegen nicht angezeigter Abhaltung e einer öffentlichen Versammlung und unbefugter Verbreitung von Druckschriften sind 3 Mitglieder der Partei in Untersuchung.

Gutachten:
Der Verein fällt unter die gesetzliche Bestimmung und es erscheint das Verbot desselben aus den in Rubr. 7 benannten Gründen angezeigt.
Eine Schließung des Vereins hat noch nie stattgefunden.

Verzeichnis der im Oberamtsbezirk Heilbronn befindlichen sozialdemokratischen Agitatoren

Name und Wohnort des Agitators, persönliche Verhältnisse, agitatorische Wirksamkeit:

Vorsitzender der sozialistischen Arbeiter-Partei in Heilbronn:

Kittler, Gustav in Heilbronn, 29 Jahre alt, Schreinermeister, verheiratet, Vater von drei Kindern, noch nicht gestraft, mit etwas Vermögen.

Die agitatorische Wirksamkeit verstärkte sich besonders auf das Abhalten der neben bemerkten öffentlichen Versammlungen, wobei die Sache der Sozialdemokratie aber wenig neue Anhänger fand, und auf das Verbreiten von Druckschriften, deren Bezug von auswärts erfolgt, besonders unter der Arbeiterbevölkerung, jedoch auch auf dem Lande, hier übrigens ohne einem wirklichen Erfolg.

Die Partei hält seit Juni 1878 geschlossene Vereinsabende und lässt der Polizei keinen Zutritt. Die Zahl der hier Versammelten mag 20 – 30 betragen.

 

Verbreiter von sozialistischen Broschüren und Flugblättern:

Stubbe, Wilhelm, ebendaselbst, 35 Jahre alt, ledig, Korbmachergehilfe von Stolp, Königreich Preußen, noch nicht gestraft, ohne Vermögen

Gumbel, Abraham, ebendaselbst, 26 Jahre alt, ledig, Handlungsdiener, Sohn des Bankiers Isak Gumbel hier, noch nicht gestraft, ohne eigenes Vermögen

Heckmann, Gottlieb, ebendaselbst, 27 Jahre alt, ledig, Glasergehilfe von Widdern, OA Neckarsulm, noch nicht gestraft, ohne Vermögen.

 

M 6: Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie. Vom 21. Oktober 1878

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc., verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, wie folgt:

Vereine, welche durch sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung bezwecken, sind zu verbieten.

Dasselbe gilt von Vereinen, in welchen sozialdemokratische, sozialistische oder kommunistische auf den Umsturz der bestehenden Staats- oder Gesellschaftsordnung gerichtete Bestrebungen in einer den öffentlichen Frieden, insbesondere die Eintracht der Bevölkerungsklassen gefährdenden Weise zu Tage treten.

Den Vereinen stehen gleich Verbindungen jeder Art.

[...]

Ausgegeben zu Berlin den 22. Oktober 1878

Link zum vollständigen Text:

 

Arbeitsanregung

  • Vergleicht den Bericht des Königlichen Oberamts Heilbronn an das Königliche Ministerium des Innern in Stuttgart vom 18. August 1878 (M5) mit dem „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestimmungen der Sozialdemokratie“. In welchem Zusammenhang stehen beide Texte? Beachtet die Datierungen!
  • Diskutiert über den letzten Absatz des §1 des Gesetzes, in dem „die Eintracht der Bevölkerungsklassen“ zu gefährden als Vergehen bewertet wird. Fasst euere Argumente und euer Ergebnis zusammen.

M 7: Erinnerungen Gustav Kittlers an die Geschehnisse im Mai und im Juni 1878

Gustav Kittler, Aus dem dritten württembergischen Reichstags-Wahlkreis. Erinnerungen und Erlebnisse. Heilbronn 1910, S. 9-18, zitiert nach: Trau! Schau! Wem? Dokumente zur Geschichte der Arbeiterbewegung im Raum Heilbronn/Neckarsulm 1844 – 1949. Hrsg. von der Industriegewerkschaft Metall, Verwaltungsstelle Heilbronn/Neckarsulm. Bearbeitet von Susanne Stickel-Pieper. Heilbronn. Distel-Verlag, 1994 S. 91ff.

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel krachte der Revolverschuss des verlumptem Klempnergesellen Hödel am 11. Mai in die regste politische und gewerkschaftliche Tätigkeit hinein.

„Was ist das?“, fragten wir uns. Unser erster Gedanke war: Polizeimache, eine Teufelei des Gewaltmenschen Bismarck. Er will unsere Bewegung an den Kragen. Und richtig wurde auch die ganze Pressemeute auf uns losgelassen. Der Lump Hödel sei Sozialdemokrat, er habe im Auftrag unserer Partei das Attentat verübt, schrieben die damaligen Pressemamelucken. Ihr Herr und Meister, der „geniale“ Kanzler, verlangte ein Gesetz zu unserer Unterdrückung, Ausrottung.

Vergeblich war es, dass von unserer Seite das Gegenteil nachgewiesen wurde, dass nachgewiesen wurde, dass Hödel in letzter Zeit die Sozialdemokratie bekämpfte im Aufrag des christlich-sozialen Hofpredigers Stoecker, dass er also christlich-sozialer Gegner der Sozialdemokratie sei, die Hetze ließ nicht nach.

Das hiesige „Intelligenzblatt“, die geistige Nahrung für unsere Stadt und deren Umgebung, stand in diesem wüsten Treiben seinen Kollegen in nichts nach, im Gegenteil, es suchte sie noch zu übertrumpfen.

[...]

Ohne Widerstand uns abschlachten zu lassen, lag nicht in unserem Naturell. Der Redner war bald gefunden, in der Person unseres leider zu früh verstorbenen Genossen Dr. Dulk. Anders stand es um ein Versammlungslokal. Überall wurden wir abgewiesen. Endlich gelang es, eine Gartenwirtschaft als Versammlungsort für einen Sonntagnachmittag zu erhalten. Die Tagesordnung lautete: „Das Attentat auf den Kaiser und das Attentat auf die Sozialdemokratie“. Genosse Dulk verstand es, in meisterhafter Weise an Hand unseres Programms der überaus zahlreichen Versammlung nachzuweisen, dass die Sozialdemokratie mit dem Attentat auch nicht das mindeste zu tun habe.

[...]

Diese Versammlung fand an dem denkwürdigen 2. Juni statt, zu derselben Zeit, zu der Nobiling seine Schrotflinte auf den alten Kaiser abfeuerte und denselben leider nicht unbedenklich verwundete. Die Kunde von diesem zweiten Attentat war auf telegraphischem Weg auch nach hier gelangt und kaum hatte unser Vorsitzender die Versammlung geschlossen, als ihm der anwesende Polizeiwachtmeister hiervon Mitteilung machte.

[...]

Unser Versuch, abermals in einer Volksversammlung Abrechnung zu halten, schlug fehl. Alle Saal- und sonstigen Türen waren uns verschlossen. Niemand hatte bei der Hetze noch den Mut, uns seine Lokalitäten zur Verfügung zu stellen. Es blieb uns nur noch ein Weg, dies mittels Flugblatt zu besorgen und dieser Weg wurde schließlich auch beschritten.

[...]

Sämtliche Druckereien lehnten die Drucklegung ab aus Angst. So wurde das Flugblatt auswärts in unserer Parteidruckerei in 4000 Exemplaren hergestellt und in einer Kiste zugesandt.

Die Verbreitung war auf mittags 12 Uhr festgesetzt, vor jeder Fabrik sollte ein Genosse postiert werden, um diese zu besorgen. Während ich um etwa halb zehn Uhr das Pflichtexemplar auf das Oberamt trug, besorgte Isak [Deckname für Abraham Gumbel] das Abzählen und Einpacken der Blätter in meiner Wohnung.

Unserem damaligen Oberamtmann, Regierungsrat Meurer, einem verknöcherten Bürokraten, sträubten sich die Haare, als er das Flugblatt gelesen hatte, und er schnaubte mich an: „Was, das wollen Sie verbreiten, das ist ja unerhört!“

„Gewiss, Herr Regierungsrat“, entgegnete ich in aller Gemütsruhe, „wir müssen doch dieser unberechtigten Hetze gegenübertreten und da bleibt uns kein anderer Weg, adieu.“

„Warten Sie, bleiben Sie noch!“, herrschte der Gewaltige mich an, war aber doch so anständig, mir einen Stuhl anzubieten und mich einzuladen, Platz zu nehmen; was ich auch tat, worauf er sich entfernte, um nach anderthalb Stunden schon wieder zu kommen, mit der Eröffnung, „das Flugblatt verstößt gegen §§ 130 und 131 des Strafgesetzbuches und wird mit beschlag belegt.“

[...]

Der Polizeiamtmann wurde von dem Gewaltigen beauftragt, die Flugblätter in meiner Wohnung zu holen. [...] In meiner Wohnung angekommen, fanden wir Isak eifrig bei seiner nahezu beendeten Arbeit. Ein Verbreiter war schon abgefertigt und unterwegs. Die übrigen rückten gerade an, denn es war mittlerweile 12 Uhr geworden.

[...]

Es wurde beschlossen, sofort Beschwerde gegen die Beschlagnahme zu erheben sowie nochmals bei einigen tüchtigen Rechtsanwälten anzufragen, ob der Inhalt des Flugblatts wirklich strafbar sei. Die Beschwerde wurde sofort erledigt, die Umfrage im Lauf des Nachmittags. Keiner der gefragten Rechtsanwälte konnte trotz sorgfältiger Prüfung in dem Flugblatt etwas Strafbares entdecken.

Trotzdem wurden ich und ein Schuster, der die Verbreitung vor einer Silberwarenfabrik prompt besorgt hatte, zwei Tage später in Untersuchungshaft genommen. Dasselbe Verfahren, das man gegen unsere Genossen im übrigen Deutschland anwandte.

Das Flugblatt gab den gewünschten Vorwand ab, um auch mich, den einzigen Redegewandten am Ort, aus dem Wahlkampf zu entfernen, um auch hier die Sozialdemokratie mundtot zu machen. Dies trat noch deutlicher zutage dadurch, dass ein Antrag, mich gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen, abgelehnt wurde unter dem nichtigen Vorwand, der Tatbestand könnte verschleiert werden, auch liege Fluchtverdacht vor.

Von Fluchtverdacht konnte gar keine Rede sein, ich war verheiratet, Vater von drei Kindern und überzeugt, dass das Flugblatt nichts Strafbares enthält, wie sollte es mir einfallen, eine solchen Lappalie wegen meine Familie im Stich zu lassen?

Meine Verhaftung erfolgte von der Hobelbank weg, doch wurde mir gestattet, in Begleitung des Stationskommandanten mich nochmals in meine Wohnung zu begeben, um mich umzuziehen und meiner Familie adieu zu sagen. Meine weinende Frau und Kinder tröstete ich damit, dass ich nichts Schlechtes begangen habe und bald wiederkommen werde.

 

Arbeitsanregung

  • Wie standen die Heilbronner Sozialdemokraten zu den Kaiserattentaten?
  • Wie bewertet Kittler das Vorgehen der Behörden?
  • Gestaltet den Text um in ein fiktives Interview mit Gustav Kittler. Verwendet dabei nur Originalzitate zu den von euch formulierten Fragen.

M 8: Lebenslauf Gustav Kittler Gustav Kittler – der „Rote Kittler“

Gustav Kittler stammte aus einfachen Verhältnissen. Er wurde am 5. September 1849 in Heilbronn geboren. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte er eine Schreinerlehre, arbeitete eine Zeit lang in Ludwigsburg und ließ sich Anfang der Siebziger Jahre als Schreinermeister wieder in Heilbronn nieder, wo er eine Bau- und Möbelschreinerei eröffnete.

1874 gründete er zusammen mit einem Schneider, einem Schuhmacher, einem Silberschmied und einem Schlosser in Heilbronn einen Ortsverein der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP), dessen Führung er übernahm.

Nach den Attentaten auf Kaiser Wilhelm I. im Mai und im Juni 1878 trat Kittler erstmals mit einer spektakulären Aktion hervor. Zusammen mit Abraham Gumbel, dem damals 26-jährigen Sohn eines angesehenen Heilbronner Bankiers, verfasste er ein Flugblatt gegen die Sozialistenhetze, die nach den Kaiserattentaten eingesetzt hatte. Die herrschenden konservativen Kräfte hatten die Verantwortung für die beiden Attentate den Sozialdemokraten unterschoben, wogegen das Flugblatt gezielt argumentierte.

Nur ein Teil der Exemplare des Flugblattes konnten verteilt werden, bevor sie beschlagnahmt wurden. Gustav Kittler als unterzeichnender Verfasser und ein weiterer Sozialdemokrat, der mit der Verteilung begonnen hatte, kamen in Untersuchungshaft. Verantwortlich für das scharfe Vorgehen war der junge Heilbronner Rechtsassessor und spätere Oberbürgermeister Paul Hegelmaier.

Da man für eine Verurteilung der in Untersuchungshaft Genommenen keine Rechtsgrundlage fand, mussten sie freigelassen werden. Das geschah allerdings erst nach Ende des Reichstagswahlkampfes 1878. Drei Jahre später kam Gustav Kittler nach einer weiteren Flugblattaktion wieder für einige Wochen in Haft.

Nach einer erfolglosen Kandidatur 1883 wurde er 1885 als erster Sozialdemokrat in einem Gemeinderat in Württemberg in den Heilbronner Gemeinderat gewählt, dem er bis zu seinem Tode 1929 mit kurzen Unterbrechungen über 35 Jahre angehörte. Ein Jahr vor seiner Wahl 1885 war sein Widersacher Paul Hegelmaier zum Heilbronner Oberbürgermeister gewählt worden.

1890 bis 1903 kandidierte er mehrfach bei Reichstagswahlen und kam 1898 sogar in die Stichwahl gegen Hegelmaier. In der Wahlnacht kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern Kittlers und Hegelmaiers, die viel Aufsehen erregten und ein gerichtliches Nachspiel hatten. Obwohl Hegelmaier selbst nach seiner Siegesfeier im Ratskeller in betrunkenem Zustand die Gewalttätigkeit auslöste, indem er wild um sich schlug, als er persönlich die Demonstranten auf dem Heilbronner Marktplatz vertreiben wollte - und dabei auch einen eigenen Parteifreund verletzte -, wurden 30 bis 40 Anhänger der Sozialdemokraten verhaftet.

Nach dem Ende der Monarchie in Württemberg wurde Gustav Kittler 1919 in die Verfassungsgebende Landesversammlung berufen, die er als Alterspräsident eröffnete. Er starb am 9. Juni 1929 in Heilbronn.

 

Arbeitsanregung

  • Legt eine Tabelle an, in der ihr wichtige Zeitereignisse und Lebensdaten Gustav Kittlers synoptisch gegenüberstellt.
Jahr
ZeitereignisseLebensdaten Gustav Kittlers

  • Diskutiert über seinen Lebenslauf. Was erscheint euch daran besonders bemerkenswert?

M 9 Abraham Gumbel – Sozialist und Bankdirektor

Abraham Gumbel wurde am 21. 12.1852 in Stein am Kocher geboren, wo seine Vorfahren seit 200 Jahren ansässig waren, und starb am 25. 12. 1930 in Heilbronn. Sein Vater, Isaak Gumbel, ließ sich mit seiner Familie 1860 in Heilbronn nieder. Die Gebrüder Gumbel gründeten in Heilbronn ein Bankgeschäft. Abraham Gumbel schloss sich als junger Mann den Heilbronner Sozialdemokraten an. Das Königliche Oberamt Heilbronn nennt ihn in einem Bericht an das königlich württembergische Innenministerium an zweiter Stelle nach Gustav Kittler als sozialdemokratischen Agitator in der Stadt. Gustav Kittler beschreibt in seinen Erinnerungen die Zusammenarbeit mit ihm. Beide verfassten am 10.Juni 1878 ein Flugblatt gegen die Sozialistenhetze nach den Kaiserattentaten. Abraham Gumbel organisierte dessen Verteilung, während Kittler das obligatorische Belegexemplar auf dem Oberamt ablieferte, das dort zur sofortigen Beschlagnahme und zur Verhaftung von Kittler und einem weiteren Heilbronner Sozialdemokraten führte. Abraham Gumbel unterstützte die Familien der von der Verfolgung betroffenen Heilbronner Sozialdemokraten auch finanziell und bewahrte sie vor der größten Not während der Zeit der Haft.

1889 übernahm Abraham Gumbel die väterliche Bank und überführte sie nach dem genossenschaftlichen Gedanken in den „Heilbronner Bankverein“, dessen Geschäftsführer er bis zu seinem Tode war. Aus dem Heilbronner Bankverein ging die heutige Volksbank Heilbronn hervor. Er stand weiterhin der Sozialdemokratie nahe. Unter einem Pseudonym veröffentlichte er in der linken „Sonntagszeitung“ von Dr. Erich Schairer Artikel zu politischen, kulturellen und sozialkritischen Themen. Unter dem Eindruck der Ereignisse des Ersten Weltkriegs – sein jüngster Sohn starb wenige Wochen nach Kriegsbeginn im Sommer 1914 an der Front in Flandern – wurde er zu einem überzeugten Pazifisten und entschiedenem Gegner des Hohenzollernregimes. Schon früh warnte er vor dem Nationalsozialismus, dessen Machtübernahme er nicht mehr erleben musste.

Im Jahre 2009 stellte die Volksbank Heilbronn anlässlich der Feier ihres 100-jährigen Bestehens eine Büste ihres Gründers Abraham Gumbel im Foyer ihres Hauptgebäudes auf.

 

Arbeitsanregung

  • Legt eine Tabelle an, in der ihr wichtige Zeitereignisse und Lebensdaten Abraham Gumbels synoptisch gegenüberstellt.
JahrZeitereignisseLebensdaten Abraham Gumbels

  • Diskutiert über seinen Lebenslauf. Was erscheint euch daran besonders bemerkenswert?