Krieg und Schule

Transkription

Heilbronner Nachrichten
Heilbronn, 19. Februar.
Sitzung des Gemeinderats
vom 18. Februar 1915.
[…]

Ueber die Einwirkungen des Krieges auf das Schulwesen der Stadt Heilbronn
hat Rektor Freudenberger für die Volks- und Mittelschulen einen Bericht erstattet. Fünfzehn Klassen mußten ihre Lehrer hergeben, von dreizehn ausmarschierten Lehrern sind fünf gefallen, einer ist vermißt. In den Unterklassen mußten Zusammenlegungen stattfinden, so hat die Knabenmittelschule statt 26 nur noch 20 Klassen, die Mädchenmittelschule hat drei, die Knabenvolksschule vier, die Hilfsschule eine und die Mädchenvolksschule zwei Klassen in die anderen Klassen aufteilen müssen. Dadurch hat die Mittelschule Klassen von 50-90 Schülern bekommen, die stärkste Volksschulklasse zählt 102 Schüler, bei 45 Klassen mussten außerdem in Nebenfächern die Unterrichtszeit gekürzt werden. Infolge der Belegung des Zeichenschulgebäudes für militärische Zwecke hat der Zeichenunterricht in mittleren Klassen wegfallen müssen, für die oberen Klassen wird er in beschränktem Umfang beibehalten. Dieser sehr unangenehme Zustand wird auf Ersuchen aus dem Gemeinderat in nächster Zeit behoben, indem nach Schluß der landwirtschaftlichen Winterschule, die schon zwei Räume abgetreten hat, deren sämtliche Räume herangezogen werden. Außerdem soll versucht werden, in der Gewerbeschule Raumaushilfe zu erreichen. Der Lazarettbetrieb in der Dammschule hat besonders einschränkend gewirkt, denn dort mußten von 27 Schulzimmern 24 dem Roten Kreuz überlassen werden. Die Realschule konnte mit fünf Lokalen aushelfen, sodaß dort acht Räume für die Volksschule zur Verfügung stehen. Auch um das Turnen ist es übel bestellt. In den meisten Klassen hat es ganz ausfallen müssen. Die Lehrer versuchen, teilweise mit Freiübungen und Spaziergängen abzuhelfen.

Die Gewährung von Vesperbrot und Lernmitteln auf Kosten der Stadt hat einen wesentlich größeren Umfang angenommen, was auch ganz natürlich ist. Bis jetzt ist aber eine Überschreitung der hierfür vorgesehenen Mittel nicht erforderlich geworden. Die Rektorate erwarten aber beim Klassenwechsel und bei der Neuaufnahme am 1. April auf diesem Gebiet erhebliche Ausgaben. Dies wird auch von keiner Seite beanstandet. Auch die Schulversäumnisse haben einen sehr großen Umfang angenommen, sodaß ernste Gegenmaßnahmen notwendig waren. Vielfach ließ sich dagegen auch nichts unternehmen, weil die Verhältnisse stärker waren als die Schule.

In den drei Knabenhorten sind 280 Knaben, auch hier ist der Andrang sehr stark geworden, sodaß der Gemeinderat beschlossen hat, einen vierten Knabenhort einzurichten.

Neckar-Echo 19. Februar 1915 (Stadtarchiv Heilbronn L008-50)

 

Arbeitsanregung

  • Geht von folgender Situation aus: Ein Heilbronner Schüler oder eine Heilbronner Schülerin schreibt ihrem Vater, der als Soldat an der Front ist, einen Brief, in dem er/sie ihm von den Auswirkungen des Kriegs auf seinen/ihren Schulunterricht berichtet. Verfasst diesen Brief! Wählt dazu einzelne Informationen aus dem Text aus, die zu eurer angenommenen Person passen, und versucht sie in einen möglichst lebendigen und persönlich gehaltenen Brief einzufügen.