Heilbronner "Heimatfront"

Rotes Kreuz

Die Tätigkeit des Roten Kreuzes in Zeiten des Krieges erforderte ehrenamtliche Tätigkeit von allen, die nicht als Soldaten eingezogen waren, vor allem für Frauen.

In der Heilbronner Neckarzeitung vom 5.8.1914 forderte Oberbürgermeister Paul Göbel: "Hinter die Armee der Waffen muss jetzt die Armee der Liebe treten." Die Bereitschaft dazu war auch in Heilbronn groß. Frauen meldeten sich beim Roten Kreuz zur Verwundetenpflege, zu Strick-, Näh- und Stickarbeiten, Männer beispielsweise zur Brücken- und Eisenbahnbewachung. Ein Heilbronner Bankier schrieb 1915 an einen amerikanischen Geschäftsfreund: "Jeder tut, was er kann, fürs Vaterland. Mein Hans […] ist vor 14 Tagen Gefreiter geworden. […] Die beiden jüngeren sind Trommler bei der Jugendwehr, meine Tochter ist Schwester im Lazarett und meine Frau Vorstandsdame usw. im Roten Kreuz, ich schaffe für meinen ausmarschierten Neffen im Geschäft."

(Elke Koch, S. 42)

Mädchenschulklassen und Jungfrauenvereine strickten nach genauer Anleitung Socken für die Soldaten an der Front. So schrieb die Stuttgarter Zeitung in der Ausgabe vom 3.10.1914: "Liebessocken. Schülerinnen begleiten ihre Sendung von Socken an das Rote Kreuz mit folgendem Verslein: "Unseren lieben Soldaten im Feld / Schicken wir Socken und Grüße. / Die Großen sorgen fürs nötige Geld, / Die Kleinen für warme Füße."

Die Historikerin und Archivarin Elke Koch schreibt dazu:
"Diese Militarisierung des Sockenstrickens mag uns heute belustigen. Aber sie erfüllte offensichtlich eine Zeit lang ihren Zweck, ausgedehnte weibliche Kreise, vom kleinen Mädchen bis zum alten Mütterlein, in das große Kriegsgeschehen miteinzubeziehen. Gefühle der Nutzlosigkeit und des Nichtdazugehörens sollten durch diese sinnvolle und plötzlich zur vaterländischen Hilfstätigkeit aufgewertete Beschäftigung abgefangen werden. Und umgekehrt signalisierte das allgegenwärtige Sockenstricken, dass man in dieser schweren Zeit nicht untätig war, sondern seinen bescheidenen weiblichen Beitrag fürs Vaterland leisten wollte. […] Trotz dieses vielfach bezeugten Tätigkeitsdrangs arbeitete nur ein kleiner Teil der Heilbronner Frauen in öffentlich sichtbarer und in der Kriegs-Chronik vermerkten Weise beim Roten Kreuz mit. Von der großen Mehrheit hatte ein Teil mehr als genug mit der eigenen Existenzsicherung und den Problemen des Kriegsalltags zu tun."

(Elke Koch, S. 45)

Kindheitserinnerungen aus dem Ersten Weltkrieg

(27.8.1980)
"[…] damit vor allem wir Buben uns an die Unmenschlichkeiten des Krieges gewöhnen sollten und die militärischen Erfolge unserer Truppen zur Steigerung der Kriegsbegeisterung beitragen konnten, tauchten schon im ersten Kriegsjahr zahlreiche Serien von Bildkarten mit Motiven von Kampfhandlungen auf. Sie waren als Sammelobjekt gedacht. […]

Von diesen Kriegsbildern hatten wir wohl über viele Monate hin meist eine größere Anzahl in unseren Taschen oder nach vielen Tausch- und Sammelaktionen in einer Zigarrenschachtel angestapelt […]. Es kam uns darauf an, durch Tausch jede Nummer einer Bildserie einzubringen.

Als unsere Siege seltener und der Ausgang des Krieges etwas fragwürdiger wurden, blieben die Nachlieferungen dieser Kartenbildserien aus."

Aus: Alfred Birkel, Kinderjahre in Heilbronn, Serie der Heilbronner Stimme (Stadtarchiv Heilbronn ZS-7949)

 

Arbeitsanregung

  • Beschreibe, was man während des Ersten Weltkriegs unter dem Begriff "Heimatfront" verstand und setze dich kritisch mit dieser Bezeichnung auseinander.