Die Galerie der Stadtgeschichte am Otto Rettenmaier Haus

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Zwölf künstlerisch gestaltete Glasflächen führen am Haus der Stadtgeschichte entlang vom Mittelalter in die Gegenwart – im Jahr 2007 realisierte das Stadtarchiv Heilbronn zusammen mit dem Designer Burkard Pfeifroth (Reutlingen) diese ungewöhnliche Fassadengestaltung. Die mehrdimensionalen Gestaltungsentwürfe präsentieren das Heilbronner Geschichtszentrum in Bildern, Texten und Grafiken. Der innovative Glasdruck ermöglicht eine eindrucksvolle Tag- / Nachtwirkung und setzt die Geschichte der Stadt in ein neues Licht.


Geschichten - Die Stadt im Mittelalter

Der Bildstock an der Armsündersteige (1514) und die Gerichtsstätten zwischen Weinsberg und Heilbronn auf einer Karte von Hans Peter Eberlin (1578) symbolisieren die mittelalterliche Gerichtsbarkeit. Im Hirsauer Codex (1146) erscheinen erstmals städtische Merkmale von Heilbronn – Markt, Hafen und Münzgerechtigkeit.
Der Eintrag beginnt mit den Worten:

Die edle Frau Uta, Schwester des Pfalzgrafen Gottfried, hat ihr Gut in Heilbronn, das ihr als väterliches Erbe übergeben worden war, als Ganzes den heiligen Aposteln Peter und Paul zum Heil ihrer Seele gegeben.


Ereignisse - Heilbronn im Bauernkrieg

Die Hinrichtung des aus Böckingen stammenden Bauernführers Jäklein Rorbach am 21. Mai 1525 in der Nähe von Neckargartach markiert das Ende des Bauernaufstands im Unterland (aus Peter Harers Buch „Warhaft und gründliche Beschreibung des Bauernkriegs“; 1551):

Jacob Rohrbach hatt auffruhr gerathen, des muß er werden gebraten beÿ Neckergartach an einer weÿden, must er des feurs flam leÿden Bis er sein leben Endt, Sein leib zu pulver ward verbrendt, Jacob Rohrbachs von Böckingen, des Auffrührers todt.


Szenen - Das Käthchen von Heilbronn

Die Heilbronner Symbolfigur stammt aus dem Drama von Heinrich von Kleist (Uraufführung 1810) – hier als Entwurfsmodell für den Käthchen-Brunnen von Dieter Läpple (1965), auf einem Programmzettel des Stadttheaters Heilbronn zu einer Käthchen-Aufführung am 21. Februar 1928 und auf einer Postkarte aus der Zeit der Jahrhundertwende mit einem Zitat aus dem Stück (3. Akt, 9. Auftritt):

Ich bringe dir die Waffen!


Chancen - Adolf Cluss (1825–1905)

Lebensstationen des in Heilbronn geborenen Revolutionärs und Architekten: Ausschnitt aus einem Flugblatt des „Bildungsvereins für Arbeiter in Mainz“ (1848), ein Auswandererschiff (1845) und der erfolgreiche Baumeister vor dem heutigen Arts- and Industries-Building der Smithsonian Institution in Washington, D.C. (1880).

Der Bildungsverein für Arbeiter in Mainz. Im Namen des Vorstands, Der Schreiber Cluß.


Heilbronn - Stadtbild im Wandel

Der Blick über den Neckar in die Kaiserstraße symbolisiert die Veränderungen im Stadtbild: In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg fährt die „Spatzenschaukel“ über die 1867 erbaute Brücke, 2007 die Stadtbahn über die neue Friedrich-Ebert-Brücke.


Informationen - Medien im Stadtarchiv

Archive bewahren Medien mit historischen Informationen, werten sie aus, machen sie zugänglich und stellen sie aus – dafür stehen hier eine Deckrullo-Kamera des Nettel Camerawerks in Sontheim (um 1910), Filmprojektor und Filmdose aus den 1950er Jahren, ein Blick in die stadtgeschichtliche Ausstellung (2007) und ein Filmstreifen mit einem Portrait von Robert Mayer (1868) sowie einem undatierten Autograph aus seiner Feder:

Was ist Wahnsinn? Die Vernunft eines Einzelnen. Was ist Vernunft? Der Wahnsinn Vieler.


Chronik - Maybach und die Erfindung des Automobils

Wilhelm Maybach wurde 1846 in Heilbronn geboren. Er hat gemeinsam mit Gottlieb Daimler entscheidend zur Erfindung des Automobils beigetragen – hier beide um 1892 zusammen im „Riemenwagen“; im Hintergrund ein Briefentwurf des 1929 gestorbenen Maybach vom 18. März 1924:

Ich habe mich über diese Ehrung sehr gefreut u. gedenke mit Dankbarkeit an die Würdigung und das Interesse, das die Automobil- und Flugtechnische Gesellschaft seit ihrem Bestehen an meiner Tätigkeit genommen hat. [...] Ihr sehr erg. Wilhelm Maybach


Hintergründe - Theodor Heuss und seine „Heimatstadt“

Heilbronn galt für Theodor Heuss (1884–1963) als Heimatstadt – hier sieht man ihn um 1920 als jungen Mann auf einem Gruppenbild mit den württembergischen Liberalen in Stuttgart und als Bundespräsidenten in den 1950er Jahren in seinem Arbeitszimmer. Ein Brief an Professor Alfred Kühn belegt seine lebenslange schriftstellerische Tätigkeit (29.12.1956):

Eine meiner Weihnachtsbeschäftigungen ist [...] die Frage, den Ergänzungsband der sogen. „Großen Deutschen“ etwas weiterzutreiben. [...] Mit herzlichen Neujahrsgrüßen für Sie und die Gattin Ihr Theodor Heuss


Tatsachen - die dunklen Seiten der Stadtgeschichte

Die Brandstiftung und Zerstörung der Heilbronner Synagoge am frühen Morgen des 10. November 1938 stehen stellvertretend für die Zeit von Nationalsozialismus und Krieg; das Heilbronner Tagblatt vom 11. November 1938 kommentiert zynisch:

Das Schauspiel der brennenden Synagoge hatte bald viele Volksgenossen angelockt. Besonders in den Morgenstunden, als die Volksgenossen in ihr Geschäft eilten, strömte alles zum Brandplatz. Kurz nach 7 Uhr hatten sich die Flammen durch die große Kuppel einen Weg ins Freie gebahnt. Wie ein Fanal loderten die Flammen zum Himmel empor.


Erinnerungen - die kalte Nachkriegszeit

Eichgasse und Deutschhof in den ersten Nachkriegsjahren: Not bestimmt den Alltag, Lebensmittelmarken regeln den „Konsum“. Das Tagebuch von Oberbürgermeister Emil Beutinger belegt die schwierige Situation zwischen Besatzungsmacht und Mangelverwaltung (Eintrag vom 21. Februar 1946):

21.II.46 Mit Gst [?] Giddings dem früheren Gesundheitsoffizier der nun in Stuttgart ist gab es heute früh eine erregte Auseinandersetzung [...]. Er warf mir Hinterhältigkeit – Intrigen – arbeiten hinter seinem Rücken vor.


Nachdenken - das Trauma der 1950er Jahre

Eines der letzten Fotos mit der Heilbronner Schülergruppe, die am 15. April 1954 im Dachsteinmassiv ihr Leben verlor. Schlagzeilen bundesdeutscher Zeitungen (Westfalenpost vom 21. 04.1954; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. 04.1954) und die Rückseite eines Pressefotos von 1954 zeigen die bundesweite Aufmerksamkeit für den Unglücksfall:

Obertraun, 20. April. (AP/dpa) Eine dramatische Suchaktion größten Ausmaßes lüftet über einer der erschütterndsten alpinen Tragödien Österreichs mehr und mehr den Schleier der Ungewissheit.


Zukunft - Sonnenfinsternis und Milleniumsfieber

Am 11. August 1999 beobachten einige Heilbronnerinnen auf dem Hafenmarktturm die totale Sonnenfinsternis; der Kran über der Baustelle der Heilbronner Stadtgalerie im Frühsommer 2007 steht für den fortgesetzten Wandel und die Schlagzeilen aus der Heilbronner Stimme vom 28. Dezember 1999 – wenige Tage vor der „Jahrtausendwende“ – für den Blick in die Zukunft:

Hellseher tappten auch 1999 im Dunkeln
Miese Bilanz: Nur jede 25. Vorhersage trat ein – Weder Prinz Charles noch der Papst starben