Arbeiteralltag im 19. Jahrhundert. Auswirkungen der Industrialisierung auf die Lebensverhältnisse der Arbeiter
Vorgestellt von Ulrich Maier
Überblick
Heilbronn gehört zu den Städten in Württemberg, in denen die Industrialisierung schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts begonnen hat. Die Standortfaktoren waren günstig, unter anderem durch die Lage am Neckar, wo die Schifffahrt zum Rhein und in die Niederlande begann, und seit 1848 durch einen Eisenbahnanschluss nach Stuttgart. Kapital für die Gründung von Industriebetrieben war seitens der Kaufmannschaft vorhanden. Bereits um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert investierten große Handelshäuser in bestehende Mühlenbetriebe am Neckar, woraus die ersten Heilbronner Fabriken hervorgingen.
Um 1800 zählte die Reichsstadt Heilbronn 60 größere Handelshäuser bei ca. 6.000 Einwohnern, 1850 lebten in Heilbronn mehr als 12.500 Einwohner. Die Zahl der in der Industrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen stieg kräftig an. Um die Mitte des Jahrhunderts gab es in Heilbronn mehr Arbeiterinnen als männliche Arbeitskräfte und auch Kinderarbeit gehörte zum Alltag.
Ein Handbuch über das Königreich Württemberg von 1838 beschrieb das frühindustrialisierte Heilbronn folgendermaßen: "Wirft man einen Blick auf die Verteilung der württembergischen Industrie in den einzelnen Gegenden des Landes im allgemeinen, so zeigt sich, dass die Stadt Heilbronn verhältnismäßig die meisten, nämlich 20 Fabriken mit gegen 500 Arbeitern hat."[1]
In der württembergischen Eisenbahndebatte von 1843 wurde Heilbronn gar als das "schwäbische Liverpool" bezeichnet.
Arbeitslose Handwerker aber auch verarmte Bauern aus der Umgebung Heilbronns suchten zunehmend Beschäftigung in der Chemie-, Nahrungs- und Genussmittelindustrie und in den Papierfabriken Heilbronns. Hoch war die Zahl der Pendler aus den umliegenden Dörfern.
Armut und Reichtum klafften in der frühkapitalistisch-spätfeudalen Gesellschaft dieser Zeit weit auseinander. Die Lösung der Sozialen Frage wurde zu einem zentralen Problemfeld der politischen Diskussion. Kirchen, staatliche Institutionen, aber auch Unternehmer befassten sich mit Lösungskonzepten. Aus der Arbeiterschaft selbst wuchs die Arbeiterbewegung heraus, begleitet und gefördert von Vertretern aus dem Bildungsbürgertum.
Wie sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts die Industrialisierung auf die Lebensbedingungen ausgewirkt hat und wie sich die soziale Frage in einer württembergischen Industriestadt gestellt hat, dies lässt sich Schülerinnen und Schülern am Heilbronner Arbeiteralltag exemplarisch, anschaulich und konkret fassbar vermitteln.
--------------------------------------------------------------------------
[1] Geographie, Statistik und Topographie des Königreichs Württemberg und der Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und Sigmaringen. Nach den neusten Quellen und in Verein mit anderen bearbeitet von A. Fischer, Stuttgart 1838, S. 170