Die Revolution 1918/19 in Heilbronn

Die Nachricht, dass SPD und Gewerkschaften für den 9. November 1918 in Stuttgart zu einem Generalstreik aufgerufen haben und die Errichtung einer württembergischen Republik bevorsteht, erreicht am Abend des 8. November auch Heilbronn. Am Morgen des 9.11. wird zu Arbeitsbeginn in den Heilbronner Betrieben der Generalstreik ausgerufen. Ein großer Demonstrationszug formiert sich, der sich von der unteren Allee bis zum Marktplatz zieht. 1200 NSU-Arbeiter aus Neckarsulm stoßen mit roten Fahnen dazu. Die Belegschaft von Knorr zieht durch die Uhlandstraße zur Innenstadt, darunter auch Zwangsarbeiter und arbeitsverpflichtete Militärgefangene aus dem Gefängnis in der Steinstraße.

Als die Demonstranten den Marktplatz erreicht haben, betritt eine Delegation von Friedrich Reinhardt (USPD), Ernst Buckel (Gewerkschaftssekretär, SPD), Wilhelm Schwan (USPD) Gustav Kittler (SPD) und weitere sozialdemokratische Stadträte, begleitet von zehn bewaffneten Soldaten, das Rathaus und verkünden dem Oberbürgermeister Paul Göbel den Ausbruch der Revolution und die Übernahme der Vollzugsgewalt durch den Arbeiter- und Soldatenrat Heilbronn.

Danach begibt sich die Delegation mit dem Oberbürgermeister und dem Oberamtmann auf die Rathaustreppe. Ansprachen werden gehalten. Einer der bei Knorr beschäftigten Zwangsarbeiter fordert in einer spontanen Rede die Freilassung aller militärischen Strafgefangenen aus dem Gefängnis, worauf sich 5000 Personen zum Gefängnis in die Steinstraße aufmachen. Während eine Delegation mit dem Gefängnisdirektor verhandelt, stürmen die Demonstranten bereits das Gefängnis und befreien alle Gefangenen. Es kommt zu Plünderungen.

Ein Arbeiterrat wird gebildet unter dem Vorsitz von Friedrich Reinhardt (USPD) sowie ein Soldatenrat unter dem Vorsitz von Ernst Buckel (SPD). Arbeiter und Bauernräte entstehen in diesen Tagen in Böckingen, Neckarsulm und Neckargartach. 

Am 10. November ruft der Heilbronner Arbeiter- und Soldatenrat in einer Sonderausgabe des Neckarechos die Bevölkerung zu Besonnenheit und Ruhe auf. Auch OB Göbel meldet sich in einem Aufruf in der Presse: "Der Stadtverwaltung ist zur Kenntnis gebracht worden, dass sich heute hier ein Arbeiter- und Soldatenrat gebildet hat. Die Verwaltung unserer Stadt wird, wie bisher, von den bisherigen Organen weitergeführt." 

Das Alltagsleben nimmt seinen gewohnten Fortgang. Stadttheater und Kinos sind gut besucht, ebenso Vorträge zu Zeitthemen, während in der Stadt die Lebensmittelversorgung immer bedrohlicher wird. Grundnahrungsmittel sind streng rationiert und werden nur gegen Karten ausgegeben. Fast täglich marschieren rückkehrende Soldaten von der Front durch die Stadt, die von der Bevölkerung freudig begrüßt und trotz der Hungersnot verpflegt werden.

SPD und bürgerliche Parteien haben bei der Heilbronner Bevölkerung den größten Rückhalt. USPD, Spartakisten und Kommunisten dagegen kaum. In die Verfassunggebende Landesversammlung wählt Heilbronn am 12.1.1919 drei Vertreter der SPD, zwei Vertreter des Zentrums und je einen Vertreter der Demokraten (DDP) und des Bauernbunds. Eine Woche später findet die Wahl zur Verfassunggebenden Nationalversammlung auf Reichsebene statt, mit einem ganz ähnlichen Ergebnis. Knapp 11 000 der Wahlberechtigten Heilbronner stimmen für die SPD, etwa 12 000 für bürgerliche Parteien und nur knapp 700 für die USPD. Am 18. Mai 1919 werden in Heilbronn die Gemeinderatswahlen abgehalten. Von den 30 zu vergebenden Sitzen erhalten die Demokraten 13, die SPD 10, die USPD 3, Bürgerpartei und Zentrum je 2 Sitze. 

Zu gewaltsamen Aktionen des Soldatenrats und zu Demonstrationen der USPD- und Spartakusanhänger kommt es zwar immer wieder, sie haben aber auf die Wahlen und den Fortgang des städtischen Lebens kaum einen Einfluss. So kann z.B. in Heilbronn während der Streiktage und des Putschversuchs der Spartakisten in Stuttgart im April 1919 ohne Störung eine Gedenkfeier der Bürgerpartei für Bismarck stattfinden, der 40 Jahre zuvor die Sozialisten hatte verfolgen lassen.

 

Arbeitsanregungen

  1. Beschreiben Sie, wie die Revolution das Leben in der Stadt veränderte.
  2. Diskutieren Sie die Rolle der radikalen Sozialisten (USPD und Spartakus).