Werbung und Marketing

Baustein A: „Von den Gaben der Natur, bietet Knorr das Beste nur“ – Werbung und Marketing am Beispiel der Firma Knorr

„Ein Geschäft, das auf Werbung aufgebaut ist“ – so erklärt der Mitbegründer der amerikanischen Firma Kellogs die Erfolge seiner inzwischen weltberühmten Frühstücksflocken. Werbung, Verpackung und ein schlichter Misch- und Backprozess verwandeln billige Getreidekörner in (relativ) teure Gesundheitsnahrung und ändern damit die Frühstücksgewohnheiten von Millionen.

Ganz so einfach liegen die Dinge bei den deutschen Nahrungsmittelherstellern Knorr und Maggi nicht – aber auch sie verdanken ihren Aufstieg teilweise der Werbung. In harter Konkurrenz schaffen sie einen internationalen Markt für Suppenerzeugnisse und geben Millionen für Werbung aus.

Für die heutigen Großunternehmen nicht nur der Lebensmittelbranche ist ‚marketing‘ zum zentralen Erfolgsfaktor geworden. Marketing ist mehr als nur Werbung: es stellt ein umfassendes Konzept der Unternehmensführung von der Produktentwicklung über die Markteinführung bis zur Preisgestaltung dar. „Marketing ist Denken in Kundennutzung“: Produktmanager erkennen Marktlücken, entwickeln Produktideen und setzen diese in marktreife Prototypen um. Sie bestimmen die Produktlinie ihres Unternehmens sowie die Lebensdauer einzelner Produkte, weil sie für rechtzeitige Aktualisierung und Modernisierung des Angebots sorgen. Einzelheiten des modernen Marketings können an dieser Stelle weder beschrieben noch dokumentiert werden. In Grundzügen aber findet sich das moderne Marketing schon bei der Nahrungsmittelindustrie um 1900, allerdings ohne das amerikanische Vokabular.

Während die Pioniere des Industriezeitalters (Siemens, Daimler, Bosch u. a.) Spezialprodukte für einen begrenzten Markt herstellen und zunächst keine Werbung brauchen, stellen Nahrungsmittelfabriken Massenprodukte her, für die ein Markt erst geschaffen werden muss. Erst durch massenhafte Umsätze lassen sich Gewinne erzielen – und diese werden nur durch Werbung erreicht. Außerdem müssen das Misstrauen der Hausfrauen gegen vorgefertigte Lebensmittel gebrochen und ein akzeptables Preis-Leistungsverhältnis hergestellt werden. Neue Vertriebs- und Verkaufsorganisationen entstehen, verbunden mit dem neuen Beruf des Reisenden, der die Waren präsentiert, Bestellungen aufnimmt und bei den Einzelhändlern Reklame macht. Durch eine typische Verpackung, einheitliche Farbgebung und einen charakteristischen Schriftzug (heute Logo genannt) sollen die Kunden das Produkt sofort erkennen und auf gleichbleibende Qualität vertrauen können. All dies führt – zusammen mit der Festlegung des Verkaufspreises – zum Markenartikel, der um 1900 von der Lebensmittelindustrie auf andere Branchen (Waschmittel: Persil; Kosmetik: Nivea) ausgedehnt wird.

Vor diesem Hintergrund ist das folgende Materialbündel zu interpretieren. Es beginnt mit der Selbstdarstellung der Firma in Verkaufsprospekten und Preislisten. In dieser (auch in englischer und französischer Fassung erhaltenen) Textwerbung werden die Vorzüge der Produkte und der industriellen Produktion herausgestellt, unterstützt durch den Verweis auf Preisverleihungen sowie auf Autoritäten in Wissenschaft und Gesellschaft.

Schon vor der Jahrhundertwende beginnt auch die klassische Werbung auf Plakaten und in Zeitungsanzeigen, vor allem in Fach- und Frauenzeitschriften sowie auf Litfaßsäulen. Die berühmten Emailleschilder kann man heute noch gelegentlich in Antiquitätengeschäften finden.

Eine Sonderrolle spielen Sammelmarken und Bilderserien, welche die Sammlerfreude der Kinder ausnützen und eine langfristige Kundenbindung erreichen wollen. In Literaturserien werden beispielsweise Schillers Leben oder Kleists „Käthchen von Heilbronn“ vorgestellt – der Auftakt für die Leitfigur des ‚Käthchens‘ als Werbeträger der Firma Knorr.

Die Kinowerbung seit den 50er Jahren kann hier naturgemäß ebenso wenig dokumentiert werden wie die Fernsehwerbung der 60er Jahre und die TV-Spots heute. Sie sind aber für Schüler teilweise in alten Knorrfilmen im Stadtarchiv zugänglich.

Die Werbematerialien stammen aus dem Stadtarchiv (und können online in der Datenbank HEUSS eingesehen werden) sowie aus dem Archiv der ehemaligen Firma Knorr-Maizena.

 


 

Hinweise und Erläuterungen zu den Materialien A 1 – A 9

Bei den Materialien A 1 – A 3 handelt es sich im heutigen Sprachgebrauch um Firmenprospekte, die der Produktübersicht und Kundeninformation dienen. Die verhältnismäßig umfangreiche Textform ermöglicht es, die Vorzüge der Fertigprodukte darzustellen und die Vorurteile gegen sie zu widerlegen. Dazu dient u. a. die Berufung auf Autoritäten (Armee, Marine) sowie der Verweis auf internationale Auszeichnungen (Goldmedaillen in Paris und London). In den englischen und französischen Geschäftsempfehlungen wird die internationale Ausrichtung der Nahrungsmittelindustrie schon vor dem Ersten Weltkrieg deutlich. Im Blick auf die Wertschätzung der französischen Küche und die Konkurrenz der „Bouillon“ sollen die Knorr-Produkte als ebenbürtig aufgewertet und ihr Hauptvorteil („schnell – preiswert – modern“) hervorgehoben werden. „Equal to home made“ – das ist der Schlüsselsatz für die lange Zeit mit Misstrauen betrachteten Fertigprodukte. Die breite Produktpalette soll die Marktchancen am Beginn der industriellen Nahrungsmittelherstellung erhöhen und die Kaufentscheidung für sie erleichtern. Durch die Halb- und Fertigprodukte wird berufstätigen (Arbeiter-)Frauen die Bereitstellung einer schnellen Mahlzeit erleichtert.

In den Materialien A 4 – A 7 werden die Hauptprodukte der Firma Knorr im Einzelnen vorgestellt, wobei die Bildelemente in Zeitungsanzeigen und Werbeplakaten eine immer größere Rolle spielen. Das Angebot an Werbeanzeigen lässt sich durch online-Recherchen leicht vergrößern und arbeitsteilig nach einem Frageraster untersuchen.

Weil die Erbswurst (A 5) lange haltbar und transportfähig war, eignete sie sich besonders für die Militärverpflegung. „Ihre schnelle Zubereitung trägt wesentlich dazu bei, die Gefechtsbereitschaft der am Feind befindlichen Truppen zu erhöhen.“[1] Ihre Erfindung geht auf den Berliner Koch Grünberg zurück, ihre erste Bewährungsprobe bestand sie in der preußischen Militärverpflegung: mit Brot und Erbswurst konnten die Soldaten bis zu sechs Wochen überleben. Für 27.000 (nach anderen Angaben: 37.000) Taler hat Grünberg seine Erfindung an die preußische Regierung verkauft, die in eigenen Fabriken während des Krieges 1870/71 Tausende von Kisten mit jeweils 100 – 150 Erbswürsten für die Front herstellten. Um 1890 wurde in Spandau eine zweite Armeekonservenfabrik errichtet; somit konnten (im Kriegsfall) 270.000 Fleisch- und 480.000 Gemüsekonserven hergestellt werden. Außerdem sollten auch „private Konservenfabriken zu umfangreichen Lieferungen für die Heeresverpflegung“ herangezogen werden, wie es in der schon zitierten Denkschrift heißt. Dies ist vermutlich das Einfallstor für die Firma Knorr und ihre Heereslieferungen (vgl. Baustein B).

Auf welchem Weg die Erbswurst nach Heilbronn kam und wie es zur fabrikmäßigen Herstellung kam, lässt sich im Einzelnen nicht mehr rekonstruieren.

Die Feldpostkarte aus Deutsch-Südwestafrika veranschaulicht und verniedlicht zugleich die Rolle der Erbswurst im Krieg: „Wer vom Feldleben hat einen Schimmer / vergisst die beste der Würste nimmer“ – lautet der etwas holprige Reim auf der Karte.

Die Spannung zwischen moderner Technik und traditionellen Werten zeigt sich auch bei der künstlichen Würze (A 6), einem reinen Laborprodukt auf pflanzlicher Basis. Auf diesem Gebiet hatte die Konkurrenzfirma Maggi einen großen Vorsprung. Sowohl die Bezeichnung „Würze“ als auch ihre Designerflasche waren patentrechtlich geschützt. Die Erfindung der Würze, deren Herstellung im einzelnen bis heute ein Betriebsgeheimnis ist, war eine absolute Neuheit auf dem Gebiet der Nahrungsmittelindustrie; sie brachte der Firma Maggi erhebliche Gewinne. Ihre Suppenwürze wurde ein echter Verkaufsschlager, weil sie – wenn man der Reklame vertraute – alle Speisen besser und schmackhafter machte, ohne ihren Eigengeschmack zu zerstören.

Die Herstellung der schon sprachlich missglückten ‚Knorr-Sos‘ wurde von einem langen Rechtsstreit begleitet; sie konnte sich gegen ihren Konkurrenten von Maggi nicht recht durchsetzen. Erfolgreicher war das in den 1960er Jahren eingeführte Streupulver ‚Knorromat‘, das heute noch in manchen Gaststätten der Schweiz zu finden ist.

Ab 1891 bilden Hafermehl und Kindernahrung einen weiteren Produktionsbereich der Firma Knorr (A 7). Hafer war wegen der Spelzen lange Zeit für die menschliche Ernährung unbrauchbar. Das änderte sich erst durch spezielle Mahltechniken. Vor dem Entspelzen wird Hafer gedämpft und gedarrt. Haferflocken werden aus entspelztem Hafer hergestellt, der unter Dampf gepresst, ausgewalzt und flachgedrückt wird. Dabei besteht die Gefahr, dass die wertvollen, aber hitzeempfindlichen Inhaltsstoffe beschädigt werden. Erst die chemische Forschung hat um die Jahrhundertwende die für den menschlichen Organismus wertvollen Substanzen im Hafer entdeckt: „Hafer schafft Blut und Kraft“!

Knorr musste seine Produkte zunächst unter dem Namen ‚Platthafer‘ anbieten, weil geklärt werden musste, ob die Bezeichnung Haferflocken als Warenzeichen geschützt war. Aufwendige Reklame war notwendig, um die neue Kindernahrung am Markt durchzusetzen. Dabei wurden zum ersten Mal auch Kinder als Kunden und Werbeobjekte entdeckt. Hintergrund ist die Auseinandersetzung um die richtige („natürliche“) Ernährung der Kleinkinder: Stillen oder Haferschleim, Mutter- oder Kuhmilch.

„Hafermehl besitzt neben seiner schätzenswerten Fähigkeit, blut- und knochenbildend zu wirken, den großen Vorteil, sehr leicht verdaulich zu sein, so dass es in Verbindung mit Kuhmilch namentlich da, wo die natürliche Ernährung der Säuglinge versagt, einen wertvollen Ersatz bietet“ – heißt es in der Firmendarstellung von 1898.

Bei Knorr hat die Reimwerbung eine lange Tradition: „Suppen ohne jede Färbung / Sind für Knorr die beste Werbung“ oder: „Von den Gaben der Natur / bietet Knorr das Beste nur“. Noch in den 1960er Jahren schloss der „Käthchenfilm“ (A 8) mit den gesungenen Schlussversen: „Leichter haben es die Frauen / die der Marke Knorr vertrauen“. Damit wird auf das Käthchen als Werbefigur der Firma Knorr angespielt. Obwohl es um die Jahrhundertwende auch „Käthchenbier“ in Heilbronn gab, geht die Verwendung des Käthchens (aus Kleists Schauspiel: Das Käthchen von Heilbronn) als Werbeträger auf die Firma Knorr zurück.

Auch bürgerliche Haushalte, die sich noch ein Dienstmädchen leisten können, sollen für die neuen Produkte gewonnen werden. Die Verwendung des Käthchens in der Knorrwerbung reduziert die Kleist'sche Figur auf die Dienstmädchen-Rolle, welche die Hausherrin von den Vorzügen der schnellen Küche überzeugen soll. Durch die Betonung traditioneller Werte und Verhaltensweise soll das negative Image der ‚Fabrikkost‘ abgebaut sowie der Fortschritts- und Modernisierungsschub durch die industriellen Nahrungsmittel (schnell, haltbar, preiswert, unabhängig von Garten und Jahreszeit) gewissermaßen abgefedert und den bürgerlichen Vorstellungen angepasst werden.

Erst in den 1950er Jahren erfolgte die Übernahme des Käthchens in die Stadtwerbung von Heilbronn. Vermutlich geht das auf den damaligen Oberbürgermeister Meyle zurück, der früher bei Knorr beschäftigt war.

Den erwähnten Käthchenfilm kann man sich in der stadtgeschichtlichen Ausstellung im Otto Rettenmaier Haus vorführen lassen. Er ist nicht nur als Variante der Knorrwerbung interessant, sondern zugleich als Zeitdokument der sechziger Jahre (Mode, Musik, Geschlechterverhalten usw.) Die Rahmenhandlung, eine Liebesgeschichte mit Happy end, sowie die Aufnahmen aus dem damaligen Heilbronn verleihen dem Film zusätzlichen Reiz.

Heute sind Reklame- und Sammelmarken (A 9), die früher eine große Rolle gespielt haben, völlig aus der Werbung verschwunden. „Der regen Nachfrage aus dem Kreise der Verbraucher unserer Fabrikate entsprechend, haben wir drei Serien Reklame-Marken herausgegeben. Durch gediegene Ausführung wurde unseren Sammelmarken ein wirklicher Sammelwert verliehen“ – heißt es in einer Ankündigung der „C. H. Knorr A.-G., Nahrungsmittelfabriken, Heilbronn a.N.“ Die Serien „Plakate – württembergische Uniformen von 1813 – preußische Uniformen von 1813“ wurden später durch die schon erwähnten Literaturserien und Sportbilder ergänzt. Sie zielten vor allem auf die Jugend, deren Sammelleidenschaft angeregt und indirekt für den Kauf der Knorrprodukte ausgenützt werden sollte.

Über die aktuelle Werbestrategie kann man sich im Internet (www.knorr.de) oder im Kundenmagazin „knorr family“ informieren.

 


[1]       Aus einer als Abschrift im Militärarchiv Freiburg (Msg 174/975) erhaltenen Denkschrift: „Die Organisation des Feldverpflegungswesens“.