Isidor Flegenheimer (1856-1940)

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Isidor Flegenheimer wurde am 24. März 1956 in Odenheim in Baden geboren. Sein Vater Löw/Löb (Leopold) Flegenheimer stammte aus Odenheim und war Handelsmann dort, seine Mutter hieß Sisele (Sophie), wurde in Berwangen geboren und entstammte der Familie Kirchheimer. Isidor war der erstgeborene Sohn des Ehepaars, sein jüngerer Bruder hieß Nathan. 

Isidor Flegenheimer erlernte den Kaufmannsberuf und wurde 1888 württembergischer Staatsbürger und Bürger von Heilbronn. Sein Großvater mütterlicherseits, Salomon Moses Kirchheimer, Fruchthändler, siedelte bereits 1860 von Berwangen nach Heilbronn um. Er erwarb 1871 das Wohnhaus in der Kurzen Straße 12, das später Isidors Mutter Sophie und anschließend Isidor gehören sollte. Spätestens seit 1875 führte Isidors Vater Löb unter dem eingedeutschten Namen Leopold von hier aus zusammen mit Gustav Würzburger, seinem Schwager und ab ca. 1885 Inhaber der Adlerbrauerei, eine „Landesproduktenhandlung“. Löb/Leopold Flegenheimer kam im Oktober 1972 nach Heilbronn. Ein halbes Jahr später, im März 1973, erwarb er ein Magazingebäude in der Querschulgasse 18. Der Schwiegervater Kirchheimer war Flegenheimers Bürge bei diesem Kauf. Auch dieses Gebäude fiel später Isidor Flegenheimer zu. 1885 wurde Isidor Teilhaber des Geschäfts seines Vaters, und seit 1891, kurz vor Löbs Tod 1892, führte er „L. Flegenheimer, Landesprodukte“ als alleiniger Inhaber. 1891 heiratete Isidor die gebürtige Heilbronnerin Anna geborene Mannheimer (1861-1919). Ein Jahr später kam deren Sohn Willy zur Welt, 1894 Tochter Else und drei Jahre später, 1897, das jüngste Kind des Ehepaares, Leo.

Ab 1899 befand sich der Hauptsitz der Firma nicht mehr in der Kurzen Straße 12, sondern im Parterre der Roßkampffstraße 21, nachdem Isidor und Nathan Flegenheimer das repräsentative Haus 1898 von Carl Zillhardt gekauft hatten. Isidor Flegenheimer bezog mit seiner Familie eine Wohnung im ersten Stock des Hauses. Von 1924 bis 1935 wurde das Geschäft „L. Flegenheimer, Landesprodukte“ als offene Handelsgesellschaft mit dem Getreidegroßhändler Theodor Oppenheimer geführt und galt neben dem Geschäft von Albert Eisig in der Paulinenstraße als das beste in Heilbronn. Der jährliche Umsatz lag bis 1933 bei 2 Millionen RM. Die gut prosperierende Firma brachte dem ehrbaren Kaufmann Wohlstand und Ansehen.

Isidor Flegenheimer war nicht nur beruflich erfolgreich, er nahm auch aktiv am Stadtleben teil. So war er u.a. jahrelang Kammermitglied der Industrie und Handelskammer und Ausschussmitglied des Heilbronner Handelsvereins. Während des Ersten Weltkriegs war er Mitglied der Reichsgetreidestelle und 1931 im Vorstand der württembergischen Landesproduktenbörse. Er machte sich außerdem für den Naturschutz stark, indem seine Isidor-Flegenheimer-Stiftung 1911 und 1912 die Anpflanzung eines Vogelschutzgehölzes bei der Cäcilienwiese finanziell unterstützte.

Sein besonderes Engagement galt dem religiösen Leben und seiner liberalen jüdischen Gemeinde. So war Flegenheimer von 1912 bis 1935 ehrenamtliches Mitglied der Israelitischen Oberkirchenbehörde (ab 1924 Israelitischen Oberrats). Zugleich war er jahrelang im Vorsteheramt der Heilbronner jüdischen Gemeinde. Die Kirchenpflege der Gemeinde war zwischen 1929 und 1935 im Haus der Flegenheimer in der Roßkampffstraße 21 untergebracht. Ab 1935 oblag sie dem Bankdirektor Otto Igersheimer, der Isidors Schwiegersohn war.

Nach 1933 wurde die Situation auch für die Flegenheimer-Familie immer schwieriger. Der Umsatz der Firma ging merklich zurück und sie erzielte keine Gewinne mehr. Isidor Flegenheimer durfte ab 1933 kein Mitglied der Handelskammer sein. Im Juni 1937 erlosch das Gewerbe „L. Flegenheimer, Landesprodukte“. Dem älteren Sohn von Isidor Flegenheimer, Willy, einem promovierten Arzt, gelang im Oktober 1937 die Auswanderung in die USA samt seiner Frau Lina (geborene Victor) und den Söhnen Hans Leo und Walter Viktor. Im August 1940 starb Dr. Willy Flegenheimer nach einer längeren Krankheit in Richmond Hill, NY. Die einzige Tochter Isidors, Else Igersheimer, war kinderlos und starb 1939 in einem Stuttgarter Krankenhaus. Der jüngere Sohn Leo war bereits im Oktober 1918 als Frontsoldat während des Ersten Weltkriegs gefallen.

Isidor Flegenheimer musste sein Wohnhaus in der Roßkampffstraße 21 im Dezember 1938 an die Stadt Heilbronn verkaufen. Dabei handelte es sich eindeutig um einen nach der Reichspogromnacht erpressten Zwangsverkauf unter Wert. Der ein Drittel unter dem Einheitswert gezahlte Verkaufspreis stand Isidor Flegenheimer nicht zur freien Verfügung, sondern kam auf ein Sperrkonto. Hiervon wurde die willkürliche, antisemitische „Judenvermögensabgabe“ in fünf Raten eingezogen. Überdies waren Isidor Flegenheimer Wertpapiere in einem solchen Umfang entzogen worden, dass seine Erben schließlich im Jahr 1960 eine Entschädigungssumme von 106.866 DM dafür erhielten.

Isidor Flegenheimer hatte nach der Auswanderung seines Sohnes und dem Tod seiner Tochter im November 1939 nur noch seinen Schwiegersohn als enge Familie bei sich in Heilbronn. Er änderte während der NS-Zeit mehrmals sein Testament, zuletzt am 7. Dezember 1939. Außer der Erbfolge auf die Kinder seines Sohnes Willy in den USA setzte er seinen Schwiegersohn Otto Igersheimer als Erben und Testamentsvollstrecker ein. Es ist deutlich erkennbar, dass er damit versuchte, seine restliche Habe vor dem Zugriff des nationalsozialistischen Staates zu retten und Igersheimer bei einer Auswanderung, die ihm nicht mehr gelang, zu unterstützen.

Ab Mai 1939 begann die Stadt Heilbronn die von jüdischen Heilbronnern abgekauften Häuser in Besitz zu nehmen und trotz zunächst zugestandenem Wohnrecht die ehemaligen Eigentümer zwangsumzusiedeln. Ob auch der 83-jährige Isidor Flegenheimer seine Wohnung in der Roßkampffstraße 21 in seinem letzten Lebensjahr noch verlassen musste, ist nicht bekannt. Laut einer Aufstellung vom Oktober 1940 nutzten die NSDAP-Ortsgruppe Bahnhofsvorstadt und der „Reichsnährstand Kreisbauernschaft“ das Gebäude. Am 12. Juli 1940 starb Isidor Flegenheimer. Er wurde von den letzten verbliebenen jüdischen Gemeindemitgliedern ohne jede stadtöffentliche Würdigung auf dem jüdischen Friedhof im Breitenloch neben seiner Frau Anna bestattet.