Gustav Braunbeck – ein Neckargartacher in Berlin

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Im Jahr 1910 erschien in Berlin "Braunbecks Sportlexikon", ein voluminöser Wälzer, der alles Wissenswerte über Automobilismus, Motorbootwesen und die Luftschifffahrt enthält. Sein Herausgeber Gustav Braunbeck war am 6. Juni 1866 in Neckargartach zur Welt gekommen. Die Familie zog wenig später nach Heilbronn, wo der Vater, der Kaufmann Johann Friedrich Braunbeck, in der Lohtorstraße 14 eine "Colportage- und Eisenbahn-Buchhandlung" führte. Hier waren auch Zigarren, Feueranzünder, Versicherungen, Liköre und eine Heilbronner "Stadtzeitung" erhältlich.

Dies zeugt von einer gewissen Flexibilität und Geschäftstüchtigkeit und das zeichnete auch den Sohn Gustav aus, der in Berlin die "Vereinigten Verlagsanstalten" gründete. Sie wurden sehr schnell zum führenden Verlag für aktuelle Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Motorisierung zu Wasser, zu Lande und in der Luft.

Davor hatte Gustav Braunbeck Verschiedenes ausprobiert - fast immer mit Erfolg, weil immer am Puls der Zeit. So hatte er beispielsweise in jungen Jahren in Stuttgart ein Velodrom errichtet, auf dem sich die Fahrrad-Enthusiasten austoben konnten (und auf dem auch der jugendliche Hellmuth Hirth herumflitzte). Er selbst war dreimal hintereinander Deutschland- und Europameister bei den "Niederradkunstmeisterschaften" geworden, bevor er sich 1893 dem Motorsport zuwandte. Zusammen mit Gottlieb Daimler war er im April 1899 Mitbegründer des Württembergischen Automobil-Clubs; in Nürnberg rief er im Juni 1900 den Allgemeinen Schnauferl-Club mit ins Leben. Unser umtriebiger Gustav Braunbeck war auch mit dabei gewesen, als sich im September 1899 im Berliner Hotel Savoy der Deutsche Automobil-Verband konstituierte und ab 1910 saß er im Aufsichtsrat der Deutschen Luft-Verkehrs-Gesellschaft.

Gustav Braunbecks Sportlexikon nun spiegelt wider, was sich in den letzten Jahren so alles bei den neuen Fortbewegungsmitteln, zu deren Beherrschung durchaus noch sportliche Qualitäten von Vorteil oder gar Voraussetzung waren, getan hatte. Die umfangreichen Verzeichnisse von Aktiven, von Vereinsmitgliedern und Bezugsquellen machen das Buch zu einer Fundgrube für jeden an diesem Thema Interessierten.

So erfahren wir auf den mehr als 1500 Seiten auch einiges über Heilbronn. Zum Beispiel, dass die für das Oberamt Heilbronn zugelassenen Kraftfahrzeuge das Kennzeichen "III D" plus eine Nummer von 1 bis 200 tragen mussten, wobei die Ziffer III für Württemberg stand. Den Buchstaben D teilte sich Heilbronn mit vier weiteren Oberämtern und man schien offensichtlich davon auszugehen, dass das Kontingent von zweihundert Autonummern für absehbare Zeit ausreichen würde. Wir erfahren weiter, dass der Silberwarenfabrikant Peter Bruckmann Vizepräsident des Württembergischen Automobil-Clubs war (Ehrenmitglied war Wilhelm Maybach). Wir lesen, welche Heilbronner Betriebe zur Automobil-Industrie zählten; von ihnen hat immerhin die "Heilbronner Carosseriefabrik G. Drauz & Co" überlebt, die - mittlerweile zum Thyssen Krupp-Konzern gehörend - unlängst das hundertjährige Firmenjubiläum feiern konnte.

Und wie gern wären wir beim Wartberg-Rennen dabei gewesen, das der Heilbronner Automobil-Club am 28. April 1907 erfolgreich ausgerichtet hatte. Tausende Schaulustige säumten an jenem Sonntagmorgen die Rennstrecke und beklatschten die Siege der Werksfahrer von N.S.U. und Opel. In der „Schönheits-Konkurrenz“, die anschließend stattfand, trug ein Luxusautomobil der Frankfurter Adlerwerke den ersten Preis davon.

Der amerikanische Rennfahrer Frank Marriot im Stanley-Dampfwagen (150 PS), mit dem er beim Florida-Meeting im Frühjahr 1906 als erster in der Automobilgeschichte schneller als 200 km/h fuhr. Interessant ist auch, dass der 1908 gegründete Württembergische Verein für Luftschifffahrt - er verfügte über zwei Freiballons und ein Luftschiff - neben der Stuttgarter Hauptgruppe nur eine weitere Ortsgruppe hatte, nämlich die Heilbronner unter Leitung von Fabrikant Albert Schmidt-Schröder, der das Freiballonführer-Patent besaß.

Und wo bleiben die Frauen? - Selbstverständlich war Gustav Braunbeck als glühender Anhänger der neuzeitlichen Motorsportarten modern genug, da keine Vorbehalte zu haben. Es scheint fast so etwas wie Stolz auf, wenn er die Erfolge der (zugegebenermaßen wenigen) Rennfahrerinnen, Ballonführerinnen und Flugzeugpilotinnen beschreibt.

Obwohl der Schwerpunkt der Berichterstattung auf Deutschland und den deutschsprachigen Ländern liegt, berücksichtigt Gustav Braunbeck durchaus auch die Entwicklungen im Ausland und er würdigt die Verdienste der Konstrukteure, Fahrer, Flugzeug-, Ballon- und Motorbootführer ohne Ansehen der Nation. Vielleicht ist es dieser "freundschaftliche Internationalismus" wenige Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der sein Sportlexikon so sympathisch macht.