Flugblatt der württembergischen Regierung zur Rechtfertigung des Einmarschs in Bayern

Warum marschieren schwäbische Soldaten in Bayern ein?

Weil in Bayern eine Handvoll zugereister Fanatiker durch ihre Räteregierung den Bürgerkrieg entfesselt hat.

Weil in Bayern Hab und Gut der Plünderung und Zerstörung preisgegeben sind.

Weil in Bayern das ganze Wirtschaftsleben durch Anarchisten erdrosselt wird.

Weil in Bayern der Bolschewismus*) alle Verbindungen mit den Nachbarländern vernichtet hat.

Weil in Bayern das Brot zertreten und die Arbeit verschüttet wird, nicht nur für sie selber, sondern für uns alle.

Weil in Bayern im Gefolge des Bolschewismus Hunger, Elend und Seuchen groß werden, die auch unsere Kinder bedrohen.

Sollen wir uns nicht wehren?

Wir dürfen nicht warten, wir müssen unserem Nachbar helfen,

damit auch in Schwaben die Brandfackel des Bürgerkriegs das Land in Brand setzt;

damit nicht auch in Schwaben Frauen und Kinder dem Wahnsinn zum Opfer fallen;

damit nicht auch in Schwaben der schaffenden Arbeit alle Hände entzogen und der Bevölkerung ungezählte Werke zerstört werden;

damit nicht auch in Schwaben Vernunft und Ordnung mit Füßen getreten werde und Verwahrlosung, Zuchtlosigkeit, Verbrechen überhand nehmen;

damit unser Schwabenland verschont bleibe von der Woge des Elends und der Verzweiflung, die dem spartakistischen**) Blutrausch folgt.

Anmerkungen:

*) Bolschewismus: Lehre der Bolschewiken, die im Oktober 1917 in Russland gewaltsam die Macht übernommen hatten.

**) spartakistisch: Die Spartakisten bildeten den linken, kommunistischen Flügel der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands), die sich 1917 von der SPD abgespalten hatten. Anfang des Jahres 1919 schlossen sich Spartakusbund und kleiner linksradikale Gruppen zur KPD zusammen.

Quelle des Flugblatts: Stadtarchiv Heilbronn E002-305