Reichsstadt oder Freie Reichsstadt?
"Einen eindeutig und zeitlos definierbaren Typ der Freien Stadt hat es ebensowenig gegeben wie den der Reichsstadt. Zwar handelt es sich bei beiden um zeitgenössische Begriffe, die aber schon im Spätmittelalter unscharf waren, eine Vielzahl von Erscheinungen in sich fassten, mehrdeutig gebraucht und begriffen wurden und deshalb wohl besser heuristisch, eher als 'Idealtypen' verstanden werden sollten."
(Paul Joachim Heinig: Reichsstädte, Freie Städte und Königtum 1389–1450. Wiesbaden 1983, S. 49)
Heilbronn gehörte zwar zu jenen Städten, die sich zusammen als "Freie und Reichsstädte" bezeichneten, war selbst jedoch nur Reichsstadt. Dieser Begriff ist seit dem 13. Jahrhundert üblich; die Reichsstädte entwickelten sich aus den Städten, die in der Stauferzeit als königliche Städte bezeichnet wurden, weil der König dort entweder aufgrund vorhandenen Königsguts oder aus seiner Eigenschaft als Kirchenvogt herrührend Herrschaftsrechte ausübte.
Im Zuge der Ausgestaltung ihrer Ratsverfassung konnten sich die Reichsstädte durch ihnen erteilte Privilegien unterschiedlich weit von der direkten Einflussnahme des Königs befreien und erreichten schließlich eine faktische Autonomie. Reste der ursprünglich sehr engen Beziehung zum König/Kaiser blieben aber durch die Verpflichtung, Jahressteuer zu zahlen, Kriegsdienst zu leisten und jedem neuen König zu huldigen sowie einer teilweisen Unterwerfung unter eine Reichsvogtei weiter bestehen. Auch konnten die Reichsstädte verpfändet werden, was in einigen Fällen wieder zum Verlust der Reichsunmittelbarkeit führte.
Mit "unser und richs statt" bezeichneten die Kaiser und Könige die Reichsstädte, während diese sich selbst - wohl um eine größere Distanz zum Kaiser zu dokumentieren - zumeist "des Heiligen Reichs Statt" nannten.
Der Begriff "Freie Stadt", der seit dem 14. Jahrhundert zunächst ausschließlich für die Städte Basel, Straßburg, Speyer, Worms, Mainz, Köln und Regensburg (später auch für andere) verwendet wurde, wies darauf hin, dass es sich dabei um ehemalige Bischofsstädte handelte, die sich aus der ursprünglich bestehenden bischöflichen Stadtherrschaft hatten befreien können, ohne dass ein anderer Herr an die Stelle des Bischofs getreten wäre. Zwar war eine Orientierung auf Kaiser und Reich üblich, aber eine kaiserliche/königliche Stadtherrschaft im eigentlichen Sinn entwickelte sich nicht. Die Freien Städte bezahlten daher in der Regel auch keine Jahressteuer, konnten nicht verpfändet werden, waren mit Ausnahme des Romzugs und des Heidenkampfes nicht zum Kriegsdienst verpflichtet, mussten dem König und Kaiser nicht huldigen und waren mit Ausnahme von Basel keiner Reichsvogtei unterworfen. Sie hatten also gegenüber den Reichsstädten einen größeren politischen Freiraum, sahen sich aber gezwungen, ihre unabhängige Stellung immer wieder neu zu legitimieren und zu behaupten.
Durch die Zusammenfassung der Freien und der Reichsstädte im Städtekolleg des Reichstags, der sich im Laufe des 15. Jahrhunderts und vor allem im 16. Jahrhundert zu einer in seiner Zusammensetzung und seinem Verfahren genau festgelegten Reichsinstitution ausbildete, verwischte sich die begriffliche Unterscheidung zwischen den beiden Stadttypen zunehmend. Daher rührt auch die immer wieder zu findende Bezeichnung "Freie Reichsstadt" als Sammel- bzw. Oberbegriff für die Freien und die Reichsstädte.
Festzuhalten ist jedoch, dass sich die Stadt Heilbronn selbst bis zu ihrer Mediatisierung in allen bekannten Dokumenten immer als "des Heiligen Reichs Statt" und nie als Freie Stadt bezeichnet hat.