KZ Neckargartach

Zurück

Außenlager des KZ Natzweiler-Struthof

Das Konzentrationslager in Heilbronn-Neckargartach war ein Barackenlager und befand sich auf der Ochsenweide, direkt neben dem Sportplatz in der Böllinger Straße. Es war eines der zahlreichen Außenlager des Stammlagers Natzweiler-Struthof im Elsass, die sich sowohl links als auch rechts des Rheins befanden, und die als sog. „SS-Arbeitslager“ errichtet wurden, in denen Häftlinge Zwangsarbeit für die SS sowie für staatliche und private Betriebe direkt vor Ort verrichten mussten. Die KZ-Außenlager waren dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt unterstellt. Die Gefangenen des KZ Neckargartach sollten für die Untertageverlagerung von Rüstungswerken im Rahmen des geheimen Projekts „Steinbock“ in den Salzstollen des Heilbronner Salzbergwerks Produktionsstätten für Rüstungsgüter errichten. Dazu gehörte, die bestehenden Stollen auszubauen und einen neuen Schrägstollen als Zugang vom Stiftsberg zu graben. Ursprünglich sollten hier die Erla Maschinenwerke GmbH aus Leipzig ihre Jagdflugzeuge produzieren, doch im September 1944 wurde der Standort der IG Farben AG überlassen. Es war geplant, die Häftlinge anschließend in der Rüstungsproduktion einzusetzen, doch dazu kam es nicht mehr. Die Oberbauleitung hatte die Organisation Todt, die ihren Hauptsitz mit dem Tarnnamen "Kiebitz" in Weinsberg hatte. Die Lagerführung hatte der SS-Oberscharführer Johannes Gillberg, der dem Lagerführer des KZ Kochendorf, SS-Oberscharführer Eugen Büttner unterstand. Die Wachkompanie unterstand dem Vaihinger Lagerführer Wilhelm Lautenschlager. Das KZ-Außenlager in Neckargartach bestand vom Anfang September 1944 bis zum 1.4.1945.

Als die Alliierten in Frankreich im Sommer 1944 immer weiter nach Osten vorrückten, wurden die linksrheinischen KZs und das Hauptlager Natzweiler-Struthof geräumt und in rechtsrheinische Außenlager verlegt. Gleichzeitig wurden in der Zeit neue Außenlager gebaut, so auch das Lager in Heilbronn-Neckargartach. Mit dem Aufbau des Neckargartacher Arbeitslagers wurde im Sommer 1944 begonnen. Die Baupläne stammten vom Berliner Baubüro unter der Leitung des Architekten Herbert Rimpl, der u.a. auch für den Ausbau des KZ Mittelbau-Dora verantwortlich war. Das Lager erstreckte sich auf einer Fläche von ca. 150 x 100 Metern und war ursprünglich für 800 Insassen angelegt, die in fünf bis sieben Baracken untergebracht werden sollten. Die Baracken waren ca. 20 Meter lang und 10 Meter breit. Neben den Baracken für die Häftlinge bestand das Lager aus diversen Nebengebäuden: gemauerte Baracken für Wachposten, Waschküche, Abort, Wirtschaftsbaracken. Das Lager war eingezäunt und hatte vier Wachttürme.

Die ersten 600 Insassen des Lagers kamen Anfang September 1944 aus dem Natzweiler-Außenlager Markirch (heute Sainte-Marie-aux-Mines) im Elsass an. Weitere KZ-Häftlinge trafen aus Longwy-Thil in Lothringen über Kochendorf ein, sodass Ende September das Lager knapp 1100 Häftlinge zählte. Die Mehrzahl der Häftlinge waren Ausländer, die aus verschiedenen Ländern Europas stammten (vor allem aus Polen, der Sowjetunion, Jugoslawien, Italien, Frankreich). Auch einige deutsche Häftlinge befanden sich unter ihnen. Die Anzahl der Inhaftierten verringerte sich im Laufe der folgenden Wochen und Monate. Im November 1944 wurden im Wochenbericht an das Hauptkommando 997 Insassen gezählt. Man geht davon aus, dass im Winter 1944/1945 ca. 300 Häftlinge an Erschöpfung, Hunger, Misshandlung und Krankheiten wie Typhus gestorben sind. Zunächst wurden die Toten überwiegend eingeäschert und auf verschiedenen Heilbronner Friedhöfen bestattet, später, als die Todeszahlen rasant stiegen, wurden die Meisten in einer Grube verscharrt, die nördlich des Konzentrationslagers ausgehoben und die als Massengrab für die verstorbenen Häftlinge verwendet wurde. Vereinzelt wurden die Toten auch auf den Obstwiesen in der Nähe des Lagers begraben und später umgebettet. Wie viele Häftlinge in dem Massengrab liegen, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. In den Quellen werden unterschiedliche Zahlen genannt.

Nach dem Bombenangriff auf Heilbronn am Abend des 4. Dezember 1944 wurden die KZ-Häftlinge für Aufräum- und Bergungsarbeiten eingesetzt. Sie mussten Blindgänger entschärfen, den Schutt räumen und Leichen bergen.

Als die Amerikaner im März 1945 den Rhein erreichten, gab Lagerführer Gillberg den Befehl, das KZ Neckargartach zu räumen. Die Wachmannschaft, die Häftlinge und die Lagerdokumente sollten ins KZ Dachau evakuiert werden. Ca. 300 kranke Häftlinge wurden in einem ersten Schritt am 31. März 1945 mit einem Zug abtransportiert. Mindestens 50 von ihnen überlebten den neuntägigen Transport nicht. Der Rest kam am 9. April in Dachau an. Die übrigen ca. 500 Häftlinge wurden im zweiten Schritt am 1. April 1945, dem Ostersonntag, auf einen Todesmarsch nach Dachau geschickt. Sie wurden in Gruppen von etwa 100 Häftlingen eingeteilt, von Bewachern mit Hunden flankiert. Mitgenommene Pferdewagen, auf denen die Feldküche, das Gepäck und das Lagerarchiv der SS und später auch einige der nicht mehr gehfähigen Häftlinge transportiert wurden, mussten von den Häftlingen gezogen werden. Die Überlebenden des Todesmarsches legten in 27 Tagen ca. 350 km zu Fuß zurück. Einigen Häftlingen gelang unterwegs die Flucht, mindestens fünf wurden auf dem Marsch getötet.

 

KZ-Friedhof

Kurz nach dem Kriegsende fand sich in Neckargartach eine Bürgerinitiative zu einem KZ-Friedhofsausschuss zusammen, um dort, wo sich das Massengrab mit den menschlichen Überresten der verscharrten KZ-Häftlinge befand, eine Friedhofsanlage und einen Grabstein zu errichten. Dafür wurde im Frühjahr 1946 eine freiwillige Geldsammlung unter der Neckargartacher Bevölkerung und bei den Firmen durchgeführt, für die die KZ-Häftlinge gearbeitet hatten. Die Bürgerinitiative ließ im März und April 1946 die Gräber mit einer höheren Erdschicht bedecken und eine Friedhofsanlage gestalten.

Das Friedhofsdenkmal nach einem Entwurf von Heinrich Schmutz wurde aus Bruchsteinen der gesprengten Neckargartacher Brücke erbaut. Es trägt Inschriften in russischer („Sie wurden zu Tode gequält in der faschistischen Gefangenschaft“) und deutscher Sprache („Sie starben kurz vor ihrer Befreiung“). Die fertige Friedhofsanlage wurde am 22. Dezember 1946 feierlich an die Stadt übergeben. 1962 wurde die Friedhofsanlage erneuert, eingezäunt, und mit einem schmiedeeisernen Tor versehen. 1982 wurde eine bronzene Informationstafel auf dem KZ-Friedhof aufgestellt. 1986 kam eine zweite Tafel hinzu, die die Namen der damals bekannten Toten nennt, die in dem Massengrab ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.