Wilhelm von Doderer (1825-1900)
Neben Eduard Hahn gibt es einen weiteren Heilbronner, der in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Beruf des Architekten wählte, der ebenfalls die Stadt verließ, im Ausland bekannt und berühmt wurde, der in seiner Heimat jedoch fast unbekannt ist.
Es handelt sich um Wilhelm Doderer, der am 2. Januar 1825 hier zur Welt kam. Er besuchte die Oberrealschule, ging bei einem Heilbronner Steinmetz und Maurer in die Lehre und studierte dann an der Polytechnischen Schule in Stuttgart. 1849 bestand er die königlich württembergische Staatsdienstprüfung im Baufach.
Dem liebevoll geschriebenen Nachruf seines ältesten Sohnes zufolge hat Wilhelm Doderer zunächst „einige bürgerliche Bauten in Heilbronn ausgeführt“, bevor er nach Berlin ging, um an der Bau- und an der Kunstakademie zu studieren. Eine Empfehlung des württembergischen Hofbaumeisters Ludwig von Zahnt (Doderer hatte während des Studiums am Stuttgarter Polytechnikum als „Hilfsarbeiter“ unter Zahnt beim Bau des königlichen Lustschlosses Wilhelma mitgearbeitet) führte den begabten jungen Mann im Jahr 1851 nach Wien, das bald seine neue Heimat werden sollte.
Glaubt man einem Bericht der Neckar-Rundschau aus dem Jahr 1925, dann waren die Anfangsjahre für Doderer in Wien nicht einfach, „denn seine kräftige Erscheinung und das kurz Angebundene seiner Art ließen eine allgemeine Sympathie für ihn nicht gleich aufkommen …“ Dennoch: Wilhelm Doderer erwarb sich Achtung und Respekt und die Wiener stellten fest, dass unter der rauen Schale eine liebenswürdige Seele steckte.
Doderer erhielt 1866 eine Professur für Hochbau und Architektur an der Technischen Hochschule Wien, zehn Jahre später wurde er zu deren Rektor ernannt. Dies blieb er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1896; 1877 war er aufgrund seiner Verdienste in den erblichen österreichischen Adelsstand erhoben worden und durfte sich nun Wilhelm Ritter von Doderer nennen.
Daneben war Wilhelm Doderer als Architekt tätig; er gilt als einer der Hauptvertreter des monumentalen, strengen Wiener Historismus. Die von ihm entworfenen Gebäude und Anlagen des Badekurorts Herkulesbad (Băile Herculane) in den rumänischen Südkarpaten weichen davon allerdings ab und sind eher „romantisch“ geprägt.
Ob Wilhelm Doderer, der seit 1853 mit der Wiener Offizierstochter Maria von Greisinger verheiratet war, jemals wieder seine Herkunftsstadt Heilbronn besucht hat? Sieben seiner zehn Geschwister waren früh gestorben, die beiden Brüder waren in Heilbronn geblieben, sie waren Zimmermann und Bäcker geworden; die Schwester hatte sich 1837 nach Mainz verheiratet. Der Vater Gottlieb Doderer, Zimmerer und Mühlenbaumeister von Beruf, war bereits seit 1836 tot; die Mutter Bernhardine Luise Dorothea, die aus der Flaschnerfamilie Dyruf stammte (die bekannt war für ihre vor 1800 entwickelten Feuerspritzen) starb 1846. Die Familie wohnte im eigenen Haus in der Rappengasse.
Wilhelm Doderers berühmter Enkel, der Schriftsteller Heimito von Doderer, könnte durchaus einmal in Heilbronn gewesen sein, wie mein Kollege Achim Frey in seinem Aufsatz „Ein Mord, ein Schriftsteller und ein Architekt“ dargelegt hat. Denn Doderers Roman „Ein Mord, den jeder begeht“, spielt hier in der Nähe; so geschieht der „Mord“, der im Zentrum der Geschichte steht, im Eisenbahntunnel zwischen Lauffen und Kirchheim (siehe Jahrbuch für schwäbisch-fränkische Geschichte 33/1994).