Displaced Persons (DPs)

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Unter „Displaced Persons“ verstanden die Alliierten alle „Zivilisten außerhalb der Grenzen ihrer Heimatstaaten, die durch Kriegseinwirkung im weitesten Sinne in die Fremde verschlagen worden waren und die ihren Wunsch, zurückzukehren oder anderswo ansässig zu werden, nur mit alliierter Hilfe würden verwirklichen können.“ (zitiert nach: Jacobmeyer, Wolfgang S. 31). Das heißt, dass diese Großgruppe in verschiedenste Untergruppen aufzugliedern war. Zunächst wurde nach Herkunftsländern unterschieden: UNDPs waren Staatsbürger von der UN angeschlossenen Staaten, „ex-enemy DPs“ nannte man Italiener, Finnen, Rumänen, Bulgaren und Ungarn, also Staatangehörige der Länder, die zeitweilig mit Deutschland verbündet gewesen waren oder kollaboriert hatten, während Österreicher, Deutsche und Japaner als „enemy DPs“ bezeichnet wurden. Außerdem gab es noch die Staatenlosen sowie die sowjetischen DPs, die aufgrund der Verträge von Jalta besonders zu behandeln waren und sobald wie möglich – ohne Rücksicht auf individuelle Wünsche – zwangsrepatriiert werden sollten. Eine eigene Kategorie stellten auch die rassisch, religiös oder politisch Verfolgten des nationalsozialistischen Regimes dar, die von den Alliierten aus den Konzentrationslagern befreit worden waren.

Es liegt auf der Hand, dass es nicht einfach war, eine so inhomogene, aber zugleich zahlenmäßig große Gruppe von Menschen, die – soweit sie sich in Deutschland befanden – außerdem in den vorausgegangen Jahren alle mehr oder weniger unter dem Nationalsozialismus gelitten hatten und zum Teil durchaus verständliche Vergeltungsgedanken gegenüber der deutschen Bevölkerung hegten, in geordnete Bahnen zu lenken. Das war auch das Problem, dem sich die örtliche Militärregierung gegenübersah, wie zum Beispiel aus dem schon mehrfach zitierten Bericht Montgomerys vom Oktober 1945 deutlich wird. Als Opfer des Nationalsozialismus konnten sich die Heilbronner DPs – es handelte sich hierbei vorwiegend um nach Deutschland verschleppte, zur Zwangsarbeit herangezogene Russen, Polen, Balten, Franzosen, Holländer und Italiener – der Solidarität und der Hilfe der Besatzungsmacht sicher sein. Andererseits stellten sie teilweise ein nicht geringes Unruhepotential in der besetzten Stadt und ihrer Umgebung dar. Denn es waren einige Banden entstanden, die bewaffnet auf Raub- und Plünderzüge ausgingen und auch vor Mord und Totschlag nicht zurückschreckten. Um die Lage besser in den Griff zu bekommen, richteten die Amerikaner mit Unterstützung der United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) im ehemaligen Offiziergefangenenlager in Weinsberg sowie in der Priesterwaldkaserne auf der Fleiner Höhe DP-Lager ein, die teilweise mit bis zu 10 000 Personen belegt waren. Dort bekamen die DPs wesentlich größere Essensrationen als die deutsche Bevölkerung, auch konnten sie einige Luxusartikel erstehen, die es in der Stadt sonst nicht gab. Im ganzen versuchten die Amerikaner die Lager so zu gestalten, dass es sich in ihnen angenehmer leben ließ als außerhalb, um den Anreiz für Plünderungen und Diebstähle zu verkleinern.

Das Ziel der Amerikaner war es, die DPs sobald wie möglich zu repatriieren, also in ihre Heimatländer zurückzubringen. Das war bei Holländern, Franzosen und Italienern relativ leicht zu bewerkstelligen. Aufgrund der Verträge von Jalta war auch die Rückführung von Russen, die bei weitem die größte Gruppe der nach Deutschland verschleppten ausländischen Arbeiter gebildet hatten (im August 1944 zählte man insgesamt 2 758 312), bis Herbst 1945 abgeschlossen, auch wenn viele von ihnen gegen ihren Willen in die Sowjetunion zurückgeschickt wurden. Aus Heilbronn fanden diese Rücktransporte in die UdSSR hauptsächlich Ende Juni 1945 statt. Danach wurde die Priesterwaldkaserne, in der bis dahin ausschließlich Russen untergebracht gewesen waren, vorwiegend mit Polen belegt, die mit 1 688 080 Personen im August 1944 die zweitgrößte Gruppe der Zwangsarbeiter in Deutschland dargestellt hatten.

Je deutlicher sich abzeichnete, dss der neue polnische Staat dem kommunistischen Lager zufallen und unter sowjetischen Einfluß geraten würde, desto weniger Polen waren bereit, dorthin zurückzukehren. Laut einer UNRRA-Umfrage in den Westzonen vom Mai 1946 lehnten 80 Prozent der polnischen DPs zu diesem Zeitpunkt die Repatriierung ab. Dadurch und durch die Tatsache, dass ab 1946 eine Massenflucht von Juden aus Polen nach Deutschland einsetzte, wurden die DP-Lager, die eigentlich nur als Übergangslösung gedacht waren, zu einer Dauereinrichtung, wie sich auch in Heilbronn zeigte. Laut einer UNRRA-Statistik vom 7. Dezember 1946 waren die beiden Heilbronner Kasernen damals mit insgesamt 4399 DPs belegt, davon war die überwiegende Mehrzahl, nämlich 4316 Personen, Polen, von denen 3150 in der Priesterwald- und 1166 in der Ludendorffkaserne untergebracht waren. Im DP-Krankenhaus, das im ehemaligen Lazarett an der Jägerhausstraße eingerichtet worden war, befanden sich 452 Personen, davon 368 Polen. 1949 zählte man noch immer 4245 DPs in der inzwischen in Schwabenhof zurückbenannten Priesterwaldkaserne, im Badener Hof (früher Ludendorffkaserne) 1069, im Krankenhaus 382.

Die Akzeptanz dieser Lager und ihrer Insassen durch die deutsche Bevölkerung wurde – je länger sie bestanden – nicht besser. Im Grunde stieß alles auf Vorbehalte, was mit den DPs zu tun hatte: die dauerhafte Belegung von Wohn- und Krankenhausraum, den man im zerstörten Heilbronn natürlich gut für andere Zwecke hätte gebrauchen können; die bessere Lebensmittelversorgung, die zum Beispiel 1948, als der deutsche Normalverbraucher sich mit 1550 Kalorien täglich begnügen musste, 2000 Kalorien am Tag betrug, und die Tatsache, dass die Stadtverwaltung sich daran finanziell beteiligen musste, im Jahr 1949 beispielsweise mit 4 176 189 DM. Und seit den ersten Tagen der Besetzung hielt sich hartnäckig das Vorurteil vieler Deutscher, „in jedem DP einen Verbrecher oder Dieb zu sehen“, was die Kriminalstatistik weder in Heilbronn noch andernorts tatsächlich bestätigte, auch wenn an bestimmten Delikten, besonders Diebstahl und Schwarzmarkt, die DPs ihren Anteil hatten. Doch lag dieser proportional nur um etwa 14,5 Prozent höher als die Kriminalitätsrate der Deutschen und nicht um ein Vielfaches, wie damals oft behauptet wurde (nach: Jacobmeyer, Wolfgang S. 213). Ganz offensichtlich wirkte in diesem Punkt nationalsozialistische Propaganda nach, in der die „Fremdarbeiter“ den Stellenwert von minderwertigen Menschen hatten, die zwar für die deutsche Wirtschaft arbeiten „durften“, aber über keinerlei Rechte verfügten.

Gelöst wurde das DP-Problem am Ende dadurch, dass es der International Refugee Organisation (IRO, seit 1. Juli 1947 Nachfolgeorganisation der UNRRA) ab 1948 gelang, DPs in Auswanderungsländer zu vermitteln. Dazu mussten aber erst einige Voraussetzungen geschaffen sein. Die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 ermöglichte die Auswanderung der jüdischen DPs, die Deutschland ohnehin nur als Zwischenstation dorthin verstanden hatten. Und das DP-Einwanderungsgesetz der USA von 1948 gestattete 200 000 Personen die Einreise in die Vereinigten Staaten. Weitere wichtige Aufnahmeländer waren Australien, Großbritannien und Kanada. So konnten nach und nach die DP-Lager in Deutschland aufgelöst werden. Die Arbeit der IRO endete offiziell am 30. Juni 1950, sie betrieb nur einige Lager, die noch als Durchgangsstation für auswanderungswillige DPs gebraucht wurden, weiter. Dazu gehörte auch die Schwabenhofkaserne in Heilbronn, die erst am 31. März 1951 ihren Status als DP-Lager verlor, während der Badener Hof bereits am 15. Juni 1950 und das DP-Hospital am 31. Januar 1951 aufgegeben worden waren. Übrig blieb eine Anzahl von nicht vermittelbaren DPs (wegen Alter, Krankheit, fehlender beruflicher Qualifikation usw.), die nun als sogenannte „heimatlose Ausländer“ den Deutschen gleichgestellt wurden. Im Landkreis Heilbronn waren das 2710 Personen. Es war klar, daß die Zurückgebliebenen die schwächeren, arbeitsunfähigen DPs waren, so dass ein großer Teil von ihnen von der Sozialfürsorge leben msste, was der Bereitschaft, sie in die bundesdeutsche Gesellschaft zu integrieren, nicht sehr förderlich war. Von 774 im Badener Hof zurückgebliebenen DPs wurden 318 als sozialhilfebedürftig registriert. Untergebracht wurden die in Heilbronn verbliebenen „heimatlosen Ausländer“ in eigens dazu aufgestellten Baracken in der ehemaligen Ziegelei in Neckargartach.